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Archiv-Artikel

Der politische Zombie

WORTHÜLSEN Der Begriff „Integration“ ist überholt. Er verzerrt, verhindert, lenkt ab

VON SOPHIE ELMENTHALER UND AKIKO KIUCHI

„Der Begriff Integration ist aus der letzten Dekade“, sagt Sergey Lagodinsky. Der Jurist und Publizist ist stellvertretender Vorsitzender des Integrationsausschusses der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Er möge den Begriff nicht, weil er mittlerweile ein Camouflagebegriff für Ressentiments und Stereotypen geworden sei, die man sich nicht offen auszusprechen traue.

Ganz ähnlich sieht es Figen Izgin. Im Jahre 2009 gründete sie zusammen mit anderen die Plattform gegen Rassismus. Sie gehört zum Verein Allmende e. V. und rief letztes Jahr unter anderem die Kampagne „Integration – nein danke!“ ins Leben. Der Begriff Integration sollte nach Izgins Meinung ganz verworfen werden. „Wir müssen nicht reden, sondern handeln“, sagt die Sozialpädagogin und schlägt vor, Probleme wie Arbeitslosigkeit und Diskriminierung zu bekämpfen, die vielen Einwanderern und deren Nachkommen in Deutschland das Leben schwer machen. Die Kritik am Integrationsbegriff und der damit verknüpften Ausgrenzungspolitik sei auf Unverständnis, allerdings auch auf Zustimmung gestoßen.

Die einzige auffindbare Definition davon, was die deutsche Bundesregierung unter Integration versteht, findet sich auf der Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge: „Integration ist ein langfristiger Prozess. Sein Ziel ist es, alle Menschen, die dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland leben, in die Gesellschaft einzubeziehen.“ Damit stoßen wir auf das Problem des Begriffs Integration an sich: Eine bestimmte Gruppe von Menschen wird als nicht dazugehörig zunächst ausgegrenzt, um dann integriert zu werden. Laut der Definition der Bundesregierung gibt es Menschen in Deutschland, die noch nicht zur Gesellschaft gehören. Zudem wird in keiner Weise beschrieben, wie dieser Prozess aussehen soll. Die schwammige Formulierung zeigt, dass die Bundesregierung Integration nicht definieren kann. Integration ist Integration. Und so gibt es Integrationsgipfel, Integrationspolitik, Integrationsbeauftragte und einen Nationalen Integrationsplan. Da keiner weiß, wie Integration geht, kann alles Mögliche als Integrationsmaßnahme verkauft werden, das heterogenen politischen Interessen entspringt.

Der Versuch, einen problematischen Begriff mit Inhalt zu füllen, verhindert aber auch den Blick auf die Realität. Wir haben eine gesellschaftliche Vielfalt, die zu komplex ist, um sie unter einem einzigen Konzept zusammenzufassen. Wir sollten uns von dem Begriff Integration befreien. Hier muss niemand integriert werden. Wir sind schon da.