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Archiv-Artikel

„Die Kritik ist unglaubwürdig“

Pädagogikprofessor Freerk Huisken über freie Schule, staatliche Politik und das Funktionieren der Klassengesellschaft

Der Pädagogik-Professor Freerk Huisken lehrt „Politische Ökonomie des Ausbildungssektors“ an der Universität Bremen.

Herr Huisken, hätten Sie Ihre eigenen Kinder lieber auf die Körnerwall- oder auf eine staatliche Grundschule geschickt?

Freerk Huisken: Das fragen Sie mich jetzt, wo die Alternative gerade zugunsten staatlicher Schulpflicht aufgelöst wird? Fragen Sie mich lieber nach dem Grund für diesen Absolutismus in der Durchsetzung des staatlichen Schulmonopols.

Die Bremer Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper sagt, sie sei gegen freien Schulen wie die am Körnerwall, weil diese einem „elitären Anspruch der Entmischung“ dienen.

Das halte ich glatt für einen Vorwand. Der Staat will seine Zuständigkeit für die Kinderköpfe auf keinen Fall aus der Hand geben. Nur darum geht es der Bildungspolitik; und zwar sehr prinzipiell. Das pädagogische Konzept der Schule war nicht der Stein des Anstoßes. Es stand ja auch erkennbar in keinem Widerspruch zum staatlichen Bildungssystem. Immerhin konnten die dort unterrichteten Kinder später offensichtlich problemlos in den Staatsschulen mithalten.

Was ist davon zu halten, dass die Schulpolitik einen egalitären Anspruch gegen alternative Schulen in Stellung bringt?

Die Kritik von Frau Jürgens-Pieper ist unglaubwürdig: Die Sortierung, die der Staat in der Schule am Nachwuchs vornimmt, bringt doch genau das hervor, was hier Gegenstand des Einwandes sein soll. Es ist die staatliche Bildungspolitik, die mit ihrer aktuellen Radikalisierung des Leistungsprinzips durch die Abschaffung der Orientierungsstufe, das zwölfzügige Gymnasium und andere Formen der Konkurrenzverschärfung die schulische Selektion nach sozialen Gesichtspunkten forciert. Da soll ausgerechnet die Schule am Körnerwall Bemühungen um mehr soziale Egalität gefährden.

Hier haben überdurchschnittlich gebildete Eltern eine überdurchschnittlich gute Schule für ihre eigenen Kinder eingerichtet. Täten das viele, würden Kinder aller Schichten oft nur noch in einem segregierten Umfeld lernen.

Zäumt derjenige nicht das Pferd von hinten auf, der Klassen- und Schichtenunterschiede ausgerechnet in der Schule durch „Vermischung“ auflösen will? Aber vielleicht will er das auch gar nicht. Vielleicht will er nur sicherstellen, dass der Leistungsschule kein „Hochbegabter“ aus der Unterschicht entgeht, dem man Funktionen zur Aufrechterhaltung der Klassengesellschaft anvertrauen kann.

INTERVIEW: Christian Jakob