: Mehr Geld durch weniger Steuern
Um den Schuldenberg des Landes abzuschmelzen, will Schleswig-Holsteins Finanzminister Erbschafts- und Kfz-Steuer abschaffen. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt – wenn im Gegenzug Einkommens- und Mineralölsteuer steigen
Trinken für den Haushalt. „Wenn Bier durch ein heimisches Unternehmen hergestellt wird“, lobte Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) gestern beim Bockbieranstich in Dithmarschen, „ist es gut für die Region, für die Menschen und die Staatskasse.“ Nur mit der Biersteuer – die jährlich 15 Millionen Euro in die Kasse spült – lassen sich die Landesschulden von zurzeit rund 22 Milliarden Euro allerdings auch nicht bezahlen. Und so setzt sich Wiegard zurzeit für ein Maßnahmenpaket ein, das Schleswig-Holstein – aber auch andere verschuldete Länder – entlastet. Eine Idee des Ministers: Steuern abschaffen.
Dabei hat Wiegard Kraftfahrzeug- und Erbschaftssteuer im Visier. Der Einnahmeverlust könnte ersetzt werden, indem Mineralöl- und Einkommenssteuer angehoben werden, sagte Wiegard den Lübecker Nachrichten. Damit könne das Land rund 50 Finanzbeamte überflüssig machen und so Geld sparen.
Auf den ersten Blick absurd: Riesenvermögen könnten so an die nächste Generation weitergegeben werden, ohne dass der Staat profitiert. Aber so schlecht sei der Gedanke nicht, sagt der Steuerrechtsexperte Michael Fischer von der Universität Kiel: „Einkommenssteuer zahlt jeder. Bei der Erbschaftssteuer gibt es zahlreiche Freibeträge.“ Und die werden auch noch unterschiedlich gehandhabt: Stirbt etwa ein Teil eines verheirateten Paares, erbt der andere zu günstigeren Konditionen als bei einer Lebensgemeinschaft. Außerdem ist es Fischer zufolge schwierig, Werte richtig zu schätzen und entsprechend zu besteuern: Bei Mietshäusern etwa gelten veraltete Tabellen, und Unternehmen lassen sich rechnerisch zu Schuldenfallen heruntertricksen.
Die Modelle, die zurzeit im Gespräch sind, beispielsweise, dass einem Firmenerben die Erbschaftssteuer gestundet wird – oder reduziert, wenn er Arbeitsplätze erhält –, findet Fischer nicht optimal: „Entweder heißt es am Ende für den Staat: Außer Spesen nichts gewesen. Oder der Unternehmer, der aus wirtschaftlichen Gründen Leute entlassen musste, wird am Ende doppelt bestraft.“ Die höhere Einkommenssteuer dagegen – Wiegard schlug im September vor, den Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent zu steigern – würde Monat für Monat fließen.
Für die oppositionellen Grünen ist das kein Argument. „Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer“, sagt die grüne Finanzexpertin Monika Heinold. Um das zu ändern, müssten sich Vermögende stärker als bisher daran beteiligen, „dass der Staat mehr Geld in die Bildung investieren kann“.
Zwar fordert auch Heinold eine Reform der Erbschaftssteuer. Das Ziel müsse aber sein, hohe Privatvermögen stärker zu belasten. Die Mehreinnahmen solle der Staat verbindlich für Schulen oder Kindertagesstätten einsetzen. Omas Häuschen allerdings solle steuerfrei bleiben, und kleine Betriebe dürften durch die Steuer nicht ins Aus getrieben werden. Generell müsse die Erbschaftssteuer aber erhalten bleiben: Sie gleiche Ungerechtigkeit ein wenig aus.
Das Wiegard-Modell hat indes einen Vorteil, der gerade strukturschwächeren Ländern wie Schleswig-Holstein hilft: Die rund vier Milliarden Euro, die die Erbschaftssteuer im Jahr bundesweit einbringt, bleibt im jeweiligen Bundesland. Damit profitieren die Länder, in denen besonders viele Spitzenverdiener und Firmen sitzen: Steuerrechtler Fischer nennt Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. In Schleswig-Holstein oder Mecklenburg-Vorpommern werden eher kleinere Vermögen oder Betriebe vererbt, entsprechend niedrig sind die Einkünfte. Die Einkommenssteuer dagegen fließt in einen großen Topf und wird von da aus an alle Länder und den Bund verteilt. ESTHER GEISSLINGER