: Bitterböser Qualm hat sich verzogen
Am Tag vor der Einführung von Bußgeldern gegen renitente Raucher und Wirte scheint die Wut über Niedersachsens Nichtraucherschutzgesetz weitgehend verflogen zu sein. Das Straßenbild allerdings hat sich verändert
In Niedersachsen sollen ab morgen erstmals Bußgelder bis zu 1.000 Euro für Raucher und Wirte erhoben werden können, die gegen das Nichtraucherschutzgesetz verstoßen – Geldstrafen für Raucher winken bislang nur in Baden-Württemberg. Seit August bereits ist den Niedersachsen das Quarzen nur noch in Nebenräumen von Gaststätten erlaubt, nach drei Monaten läuft nun im November die Gnadenfrist ab.
Das Straßenbild hat das Gesetz schon verändert: So viele Kneipenbesucher, die draußen auch bei strengster Witterung klaglos an der Kippe kauen oder sich um Heizpilze scharen, hat Niedersachsen noch nicht gesehen. „Wir wollten was trinken und natürlich dabei rauchen“, sagt Sasan Seyfi – „Was für eine Odyssee!“. Jetzt hat der Webdesigner aus Hannover ein Online-Suchportal für Kneipen mit Raucherzimmer eingerichtet. Mittlerweile rund 500 Gaststätten aus sieben Bundesländern sind auf www.rauchplan.de gelistet.
Vor Inkrafttreten der Regelung war bitterböser Qualm in Richtung Landesregierung geweht: Weil er Rauchen zunächst in Einraum-Lokalen erlauben wollte und dann doch verbot, war der CDU-Ministerpräsident als „Drogen-“ und „Wackel-Wulff“ beschimpft worden. Nun scheint der Unmut vielerorts verflogen zu sein: Einerseits scheinen die Kommunen die Überwachung des Gesetzes nicht ganz so streng zu nehmen. Laut einer Umfrage des NDR will lediglich das Ordnungsamt in Nordhorn mit vier Kontrolleuren gegen renitente Raucher und tolerante Wirte vorgehen. Andere Gemeinden wollen nur einschreiten, wenn es zu Beschwerden kommt. „Wir setzen auch auf soziale Kontrolle“, sagt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.
Viele Wirte, die das Gesetz als starken Tobak empfanden, der sie in den Ruin führt, knickten zudem vor der Macht des Faktischen ein. So wie der Kneipier aus dem Landkreis Rotenburg, der sogar in Anzeigen angekündigt hatte, das Qualmverbot nicht umzusetzen. Auch der „Böse Wolf“, eine Szenekneipe im hannoverschen Stadtteil Linden, will nun doch einen Extra-Raum für Raucher einrichten. „In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wird eingeweiht“, sagt Inhaber Jan Verhagen. Noch im August hatte in dem Lokal ein Aufruf zu Soli-Spenden gehangen: 600 Euro für Gerichtsverfahren gegen Raucher-Verstöße kamen zusammen. Verhagen musste einschwenken – der Entzug der Konzession drohte.
Drei von vier Gastronomen hätten bislang einen Raucher-Raum eingerichtet, sagt Rainer Balke, Hauptgeschäftsführer beim niedersächsischen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Dennoch setzt er weiter auf eine Volksinitiative. Die Wirte wollen 70.000 Unterschriften sammeln, damit sich das Parlament erneut mit dem Thema befasst: „Im Landtagswahlkampf macht sich das sicher gut“, sagt Balke. Zudem will der Verband das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall bringen: Hierfür sucht der Dehoga einen der rund 2.000 Besitzer von Einraum-Kneipen im Land, der durch das Gesetz „existenziell bedroht“ ist. Noch habe man niemanden gefunden, sagt Balke, „weil die Regelung nicht zu Umsatzeinbußen geführt hat“. KAI SCHÖNEBERG