Lob und Kritik für Kasseler Ökostrom

Komplette Umstellung auf Wasserkraft. Verbände hoffen trotz Kritik auf Nachahmer

KASSEL taz ■ Gestern Mittag war es so weit: Mit dem symbolischen Umlegen eines Hebels haben die Städtischen Werke in Kassel ihre Stromversorgung für Privatkunden komplett auf Wasserkraft umgestellt. Künftig werden die 97.000 Kunden in der nordhessischen Großstadt ohne Aufpreis komplett mit Ökostrom beliefert, sagte Vorstandchef Andreas Helbig (siehe taz vom 27. Oktober). Als wichtigsten Grund für die Entscheidung der Stadtwerke nannte er die bundesweit zunehmende Nachfrage nach Ökostrom.

Ein fünfjähriger Liefervertrag sichert laut Helbig die Versorgung Kassels mit „billigem“ sauberem Strom, der aus skandinavischen Wasserkraftwerken stammt. Meldungen, Lieferant sei der umstrittene Stromkonzern Vattenfall, wollte Helbig nicht bestätigen. Vattenfall hält rund 25 Prozent an den Städtischen Werken, die übrigen rund 75 Prozent gehören der Stadt.

Ein Zertifikat des Freiburger Öko-Instituts soll garantieren, dass dieselbe Menge an Strom, die die Stadtwerke benötigen, aus Wasserkraft wieder eingespeist wird. Das werde durch ein „Herkunftsnachweisverfahren“ sichergestellt, sagte Christof Timpe vom Öko-Institut.

Skeptisch äußerte sich die Verbraucherzentrale. „Die Kasseler Stadtwerke kaufen Energie, die anderen dann nicht mehr zur Verfügung steht. Deshalb wird der Markt nur umverteilt“, sagte Holger Krawinkel. Erhöht werde das Angebot an regenerativer Energie nur, wenn der Kunde – wie bei vielen Ökostromtarifen – einen Aufschlag zahlt, der in neue Anlagen investiert werde. „Wasserkraft aus Skandinavien verändert noch nicht den deutschen Strommarkt“, sagt auch der BUND-Energieexperte Thorben Becker. Doch wenn sich weitere Stadtwerke dafür entschieden, werde das langfristig das Ökostrom-Angebot verbessern. Deshalb begrüßte Becker die Entscheidung als „wichtiges politische Zeichen, dass Geld nicht für Strom aus Kohle oder Atomkraft ausgegeben wird“. RALF PASCH