: Mit Hochglanz gegen den Sparzwang
Das Hamburg Marketing hat erstmals eine Broschüre erstellt, die den Nutzen einer Kunstausstellung für Image und Wirtschaft der Stadt dokumentiert. Kunsthallen-Chef Hubertus Gassner gibt zu, dass das eine eigentlich unwürdige Rechtfertigung ist
Es ist eine seidige Hochglanz-Broschüre. Vorne drauf schaut ein Wanderer von Caspar David Friedrich in den Nebel. Das ist ein schön selbstreferentielles Sinnbild, denn im Nebel hat bislang auch die Hamburg Marketing gestochert, wenn es darum ging, die Stadt nicht nur als Sport- und Musical-, sondern auch als Kulturstandort zu bewerben. Jahrelang hatten die Kulturinstitutionen vergebens dagegen protestiert, dass das „Leuchtturm“-Konzept des Hamburger Senats kulturlos blieb. Doch Kultur sei kein Imagefaktor, fand auch die Hamburg Marketing GmbH.
Wenn man das bedenkt, ist es schon erstaunlich, dass jetzt eine 36 Seiten starke Din-A-5-Broschüre namens „Kultur als Wirtschafts- und Imagefaktor: Die Caspar David Friedrich-Ausstellung in Hamburg“ erschien, finanziert von der Hamburg Marketing GmbH. Thema ist die am 28. 1. 2007 abgelaufene Ausstellung, die Kunsthallen-Chef Hubertus Gaßner aus Essen, seiner vorigen Wirkungsstätte, nach Hamburg holte.
328.000 Besucher hatte die Schau generiert, und das nicht zufällig: Massenweise waren in Hamburg- und bundesweit Plakate, Flyer und Radiospots verbreitet worden. Allerdings nicht aus den Mitteln der Kunsthalle, sondern aus denen der Hamburg Marketing: 50.000 Euro hatte Gaßner ihr für die Bewerbung einer Ausstellung abgeluchst.
Wie er das hinbekommen hat? „Wir haben uns ein Beispiel an der Bremer Kooperation von Kunsthalle und Stadtmarketing genommen, das derzeit die Paula Modersohn-Becker-Ausstellung bewirbt. Wir wollten von ihnen lernen.“ Das hat man getan, und Gaßner wundert sich selbst, dass die Friedrich-Schau so viele Besucher anzog, obwohl Hamburg zweite Station war. Doch er wollte es genau wissen – und die Hamburg Marketing den Erfolg ihrer Maßnahmen messen. Also gab es eine Besucherbefragung, deren Resultate die neue Broschüre präsentiert. Sie listet auf, warum die Kunst der Stadt nützt: Exakt wurde nach Übernachtungs- und Tagesgästen unterschieden – und Ergebnisse erzielt, die die Kampagne fast wieder fragwürdig wirken lassen: Nur 27 Prozent der Besucher reisten aus 250 Kilometern an; für nur 55 Prozent war die Schau Grund der Reise. Und von denen, die eigens wegen Friedrich kamen, übernachteten 77 Prozent nicht.
Die Kunst als Appetizer, der nicht einmal funktioniert? „Das finde ich nicht“, sagt Gaßner. Immerhin seien früher 70 Prozent der Ausstellungsbesucher aus Hamburg gekommen, während jetzt 75 Prozent aus dem Umland kamen. Dass die Broschüre allerdings mit einer MoMa-gleichen Schlange vor der Kunsthalle aufwartet, macht ihn nicht glücklich. „Das widerspricht eigentlich unserem Konzept, denn wir haben bewusst versucht, Schlangen zu vermeiden. Wir wussten, dass unsere Ausstellung gut ist, und dass wir einen solchen Gag nicht brauchen.“ Wobei Gaßner nicht prinzipiell etwas gegen Besuchermengen hat. Nur glaubt er nicht, dass die Besuchermasse zwingend die Qualität der Schau anzeigt.
Dass sich hierfür eher leicht konsumierbare Ausstellungen eignen, liegt auf der Hand. Dass die Kunsthalle – wie die meisten Museen – keinen Cent für Ausstellungen hat und auf Sponsoren angewiesen ist, ebenfalls. Dass er Ausstellungen aber auf den Geschmack von Sponsoren hin konzipiert, leugnet Gaßner. Allerdings biete er Sponsoren keine Künstler an, „die pornographisch oder gewaltverherrlichend sind. Man muss den Sponsor ja nicht provozieren.“
Ein Eingeständnis jener Unfreiheit, die auch die neue Broschüre dokumentiert. Zwar findet Gaßner es unwürdig, all dies so akribisch zu dokumentieren. „Aber wir wollten empirisch nachweisen, dass Kultur Wertschöpfung bedeutet.“ Und eine andere Sprache verstünden Politiker nicht. Man sei auf sie angewiesen und müsse das Haus erhalten.
Wohl wahr: Gerade erst hat der Senat die Hamburger Museumsstiftungen entschuldet. Für die Kunsthalle eine kurze Atempause: Das strukturelle Defizit der Galerie der Gegenwart wird bleiben. Gaßner hat deren Leitungsstelle jetzt für elf Monate eingefroren. Um seine Dankbarkeit zu zeigen. Doch letztlich können Museen so lieb sein, wie sie wollen: Der Willkür des Kürzens werden sie immer ausgesetzt sein. Das verhindert auch keine bunte Broschüre. PS