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Archiv-Artikel

Von vielen Teufeln bewohnt

Er baute Wassertürme, Kinos und Theater: Die Akademie der Künste präsentiert den extravaganten Architekten und Bühnenbildner Hans Poelzig. Eklektizistisch, aber mit Willen zum symbolischen Ausdruck wurde er zu einem prototypischen Baumeister des frühen 20. Jahrhunderts

Es dürfte ihm geschmeichelt haben, seinen Namen der Hauptfigur eines Gruselfilms zu leihen. Sein Wiedergänger Hjalmar Poelzig, in „The Black Cat“ von Frankenstein-Darsteller Boris Karloff gespielt, ist ebenfalls Architekt und lebt in einer schicken Villa, deren Purismus gänzlich dem Neuen Bauen verschrieben ist. Im Keller des Hauses hat er jedoch Leichen versteckt, feiert schwarze Messen und opfert Jungfrauen.

Edgar G. Ulmer drehte den Streifen 1934, knapp fünfzehn Jahre vorher hatte er noch am Set des Stummfilms „Der Golem – wie er in die Welt kam“ gearbeitet. Der Klassiker, für den der Architekt Hans Poelzig die expressionistische Filmarchitektur schuf, ist nun in einer großen Retrospektive in der Akademie der Künste zu sehen. Und auch das skurrile B-Movie, das ein mögliches Alter Ego von Poelzig vorstellt, kommt in einigen Wochen noch einmal zur Aufführung.

Als Vorsitzender des Deutschen Werkbundes, Stadtbaurat für das Hochbauwesen in Dresden und Vorsteher eines Meisterateliers für Architektur an der Preußischen Akademie der Künste hatte Poelzig eigentlich andere Bauaufgaben zu erledigen. Die Arbeit am Bühnenbild für ein exaltiertes Fantasiegetto, in dem der Golem aus Lehm zum Leben erweckt wird, kam seiner gleichfalls exaltierten Persönlichkeit jedoch viel näher. In Hunderten von Zeichnungen entwarf er eine organisch-biomorphe Architektur, die für die Dreharbeiten auf dem Ufa-Gelände in Berlin-Tempelhof errichtet wurde – aus Pappmaschee und Rabitz.

Diesen dreidimensional zu verarbeitenden Mörtelputz hatte Poelzig für sich entdeckt und 1919 im Ausbau einer Markthalle zum Großen Schauspielhaus Berlin zum stilbildenden Element entwickelt. Der Intendant Max Reinhardt hatte Poelzig beauftragt, aus der zirkusähnlichen Metallstützenkonstruktion einer Markthalle unweit des Schiffbauerdamms sein „Theater der Dreitausend“ zu bauen. Er wollte die Hierarchie der Guckkastenbühne abschaffen und stattdessen über ein feierliches Raumgefühl die Massenidentifikation beschwören. In diesem Überschwang kam ihm Poelzig gerade recht, der – empfänglich für die Emphase des Theatermanns – einen Weiheraum konstruierte mit den Tausenden von der Decke hängenden Rabitzstalaktiten. Damit traf er nicht nur den expressionistischen Zeitgeschmack, sondern löste auch das Schallproblem des Raums auf elegant sakrale Weise. Als erste repräsentative Schauburg der jungen Weimarer Republik bezog das Große Schauspielhaus unter Reinhard in seinen Programmen auch politisch Stellung in der Aufbruchsstimmung nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Erst Mitte der 1980er-Jahre übrigens wurde die großartige Hülle abgerissen, obwohl noch einiges von der originalen Inneneinrichtung erhalten war. Die DDR-Regierung sah sich im neuen Friedrichstadtpalast eben besser aufgehoben.

Seine Karriere hatte Poelzig als Direktor der Königlich-Preußischen Kunstgewerbeschule in Breslau begonnen, der er bis 1916 vorstand. Zunächst machte er sich als Industriearchitekt einen Namen, kleidet anders als etwa sein Kollege Peter Behrens Beton und Stahlskelett aber in historische Zitate. Wassertürme entwirft er als Trutzburgen, modernste Eisenzimmerei verklinkert er dekorativ mit Fachwerkoptik. Im sächsischen Klingenberg baute Poelzig die Staumauer einer Talsperre. Ihre massiven, nach unten gekrümmten Lisenen stemmen sich wie Strebepfeiler gegen den Druck der Wassermassen und verdeutlichen so die konstruktive Bauphysik. Gleichwohl ist das komplette Stauwerk rustikaverblendet, als sei es Teil eines mittelalterlichen Burgbergs.

Symbolischer Formwille zählte für Poelzig mehr als die politische Auseinandersetzung. So bewarb er sich ebenso eifrig um Nationaldenkmäler und Kriegserinnerungshaine, wie um Festspielhäuser und Industriegebäude. In Berlin baute er einige Kinos, von denen heute nur noch das Kino Babylon mit seiner umliegenden Wohnbebauung erhalten ist. Ein großer Wurf gelang ihm dann 1928–31 mit dem Haus des Rundfunks an der Masurenallee. Hier formulierte er noch einmal Zeichenhaftigkeit in der Großform und Extravaganz im Detail. Die Rundfunkbehörde besticht bis heute durch den ins Klassische gemilderten Expressionismus ihrer Fassade und die farbintensive Gestaltung des Foyers. Und ist nicht zuletzt ein beliebter Drehort in Berlinfilmen.

„In mir wohnen viele Seelen oder Teufel, wie man es nennen will“, wird Poelzig zitiert. Damit geriet er zum Prototyp des Architekten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Eklektizistisch, aber mit Wille zum Ausdruck. Mal genialisch, mal opportunistisch, immer „so dazwischen“. Hans Poelzig starb 1936 im Alter von 67 Jahren, somit musste er eine wirkliche Position zum Nationalsozialismus nicht mehr beziehen. MARCUS WOELLER

„Hans Poelzig (1869–1936). Architekt, Lehrer, Künstler“, kuratiert von Wolfgang Pehnt und Matthias Schirren, Akademie der Künste, Hanseatenweg, bis zum 6. Januar 2008. „The Black Cat“ wird am Sonntag, den 9. Dezember um 15 Uhr gezeigt. Der Katalog zur Ausstellung ist in der Deutschen Verlags-Anstalt erschienen und kostet 29 €, www.adk.de