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Archiv-Artikel

Gold in den Bergen

Saillon – die Pilgerreisen zum Geldfälscher oder der kleinste Weinberg der Welt mit großem Ertrag

Die Pilgerreisen zu Farinets Weinberg haben dem Jakobsweg den Rang abgelaufen

Das riesige Plakat am Ortseingang von Saillon im Wallis zeigt eine dunkle Gestalt, die sich hinter einem Felsrücken verbirgt. Seit dem Jahre 1987 lädt der Badeort zum entspannenden Wassergenuss in seiner Therme ein. Ziemlich genau hundert Jahre zuvor trieb von 1865 bis 1880 der Geldfälscher Joseph-Samuel Farinet hier sein Spiel mit der Polizei. Straßennamen gibt es hier erst seit ein paar Jahren. Rue de Mocatheys – Muskatstraße – heißt die eine. Eine andere heißt Rue de St. Jacques, weil hier der Jakobsweg nach Santiago di Compostela hindurchführt. An der Rue de Courbet liegt das Geldfälschermuseum. Das macht Sinn. Malte doch der französische Maler Gustave Courbet (1819–1877), der eine Zeitlang hier weilte, ganz zufällig jene Schlucht, in der der inzwischen mehr berühmte als berüchtigte Geldfälscher Farinet nur fünf Jahre später den Tod finden würde. Eine winzige dunkle Seitengasse trägt den Name des Fälschers.

Des Nachts, wenn alle schliefen, konnte keiner die Geräusche seiner Maschine vernehmen. Der Mann, der mit zwanzig Jahren aus dem Aostatal geflüchtet war, weil er bereits eine Ausbrecherkarriere hinter sich hatte, war gesellig und ein Liebling der Frauen. Vor allem aber war er freigiebig. Freigiebig mit jenem Geld, das er selbst fabrizierte. Selbst der Pfarrer ging nicht leer aus.

Als Sohn eines Schmiedes kannte Farinet sich im Handwerk aus und fand auch schnell Freunde, die sich an der wunderbaren Geldvermehrung beteiligten. Er spezialisierte sich ausschließlich auf 20-Rappen-Stücke. Als die Hüter des Gesetzes ihm wieder einmal auf den Fersen waren, verkroch er sich in der Schlucht der Salentze und kam durch einen Sturz darin um.

Im Museum sieht man einen vornehm gekleideten, ehrenwert erscheinenden Mann – nicht jenen Halunken, den das Filmplakat präsentiert. Filmreif, das war sein Leben allemal. Nach der Vorlage des im Jahre 1932 erschienenen Romans „Farinet ou la fausse monnaie“ – Farinet oder das Falschgeld – von Charles Ferdinand Ramuz entstand sechs Jahre später der Film „Farinet oder das Gold in den Bergen“ von Max Haufler.

Auch im Dorf schlief man nicht. Wenn es heute so scheint, als könnte Farinet jeden Augenblick um eine Häuserecke biegen, so sorgt dafür ein Verein, der sich „Les amis de Farinet“ – die Freunde Farinets – nennt. Die Fäden laufen zusammen bei einem einheimischen Journalisten namens Pascale Thurre. Manch einer sagt augenzwinkernd , dass der Herr nicht nur fleißig selber an der Legende weiterstricke, nein, dass er bisweilen auch geradezu den Eindruck erwecke, selber Farinet zu sein.

So gibt es dank seines Eifers inzwischen einen Place Farinet, einen „Sentier Farinet“ mit 21 künstlerisch gestalteten Glasscheiben sowie eine Hängebrücke oberhalb der Weinberge, die in 132 Metern Höhe ebenjene Schlucht überspannt, in der Farinet sein dramatisches Ende fand. Der Clou aber ist „Farinets Weinberg“. Jene drei Reben, die mit 1,618 Quadratmeter katastermäßig vermessen als der kleinste Weinberg der Welt gelten und vom Abbé Pierre dem Dalai Lama vermacht wurden. Allerlei „Votivtafeln“ ungezählter „Farinet-Pilgerer“ umrahmen sie. Längst sollen die Pilgerreisen zu Farinets Weinberg dem St.-Jakobs-Weg den Rang abgelaufen haben.

Die sieben Deziliter, die diese Reben hergeben, werden unter tausend Liter eines Grand Cru gemischt und als Farinet-Wein etikettiert. Innerhalb von 25 Jahren hat man damit über eine Million Franken ersteigert. Tibetische und sudanesische Kinder profitierten davon sowie Hilfswerke der Mutter Teresa, auch kulturelle Projekte.

Alljährlich lädt Thurre bekannte Persönlichkeiten ein, um die drei Rebstöcke zu pflegen. So kamen zum Beispiel Gina Lollobrigida, Michael Schumacher, Caroline von Monaco, Claudia Cardinale, Zinédine Zidane und viele andere. Für Dezember hat der Tennisspieler Roger Federer sein Kommen zugesagt.

Weitere Informationen bei: Les amis des Farinet, Case postale CH-1913 Saillon, Tel.: 0041 (0)27 322 62 68, www.farinet.net