: Schnieber-Jastram in der Enge
Ex-FDP-Fraktionschef Müller-Sönksen sagt, die CDU-FDP-Schill-Koalition habe schon 2003 über Psycho-Pillen-Einsatz diskutiert. Sozialsenatorin hatte behauptet, sie habe bis 2005 nichts gewusst
VON KAIJA KUTTER
Eine brisante Aussage des früheren FDP-Fraktionschefs Burkhardt Müller-Sönksen im Hamburger Abendblatt bringt CDU-Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram in Bedrängnis. „Hat Senatorin falsch ausgesagt?“, titelte das Blatt im Lokalteil der Wochenendausgabe.
Laut Müller-Sönksen wurde schon 2003 in der Schwarz-Schill-FDP-Koalition über den Einsatz von Psychopharmaka im geschlossenen Heim Feuerbergstraße gestritten. Schnieber-Jastram hatte aber bei ihrer Aussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zu den Zuständen im Heim im Juni beteuert, sie sei erst im Oktober 2005 davon informiert worden, dass in dem Heim Psychopharmaka verabreicht wurden, und zwar durch einen in den Zeitungen publizierten Zwischenbericht des Ausschusses. Erstmals öffentlich wurde die umstrittene Medikamentenvergabe an acht Jugendliche durch einen taz-Artikel vom 11. Dezember 2004.
Die Opposition will jetzt Müller-Sönksen und Schnieber-Jastram als Zeugen vorladen. „Der Widerspruch ist so eklatant, dass wir den Untersuchungsausschuss nicht beenden können“, sagt GAL-Obfrau Christiane Blömeke. „Es muss herausgefunden werden, ob die Senatorin vor dem PUA die Unwahrheit gesagt hat“. Auch die SPD sieht „deutlichen Klärungsbedarf“.
Gestern Abend beantragten auch die CDU-Abgeordneten im Ausschuss die Vernehmung des FDP-Bundestagsabgeordneten. Dessen Behauptung widerspreche allen anderen Aussagen von Teilnehmern der Senatsvorbesprechungen. „Ich freue mich darauf, dass wir uns gegebenenfalls unter Eid darüber Auskunft holen können, wie es zu diesen unterschiedlichen Darstellungen kommt“, sagte Kai Voet van Vormizeele, Ausschuss-Obmann der CDU-Fraktion.
Laut dem Abendblatt-Artikel gab es in den dienstäglichen Senatsvorbesprechungen, an denen auch die drei Fraktionschefs von CDU, FDP und Schill-Partei teilnahmen, schon 2003 eine erstaunliche Diskussion über das Heim. „Eigentlich waren alle in der Koalition gegen den Einsatz von Psychopharmaka – bis auf Birgit Schnieber-Jastram, die verantwortliche Senatorin“, wird der Rechtsanwalt Müller-Sönksen zitiert. „Wir waren gegen den Einsatz der Medikamente, weil das nur ein Ruhigstellen der Jugendlichen bedeutete und kein pädagogisches Konzept war.“
Schnieber-Jastram habe erkennbar nichts gegen die Vergabe von Psychopharmaka gehabt. Es soll vor allem der Arzt Wieland Schinnenburg (FDP) gewesen sein, der vor Nebenwirkungen warnte. Trotzdem wurden das für Kinder nicht einmal offiziell zugelassene Truxal und Risperdal bis März 2005 an zehn Minderjährige des Heims verabreicht.
Inzwischen rudert Müller-Sönksen wieder zurück und versucht, eine PUA-Vorladung zu vermeiden. Von der taz angesprochen, korrigierte er sein Statement. Das Abendblatt habe seine Zitate in einen „zu engen Bezug auf der Unterthema ‚Psychopharmaka‘ gestellt“. So habe es immer dienstags zwei Sitzungsgremien gegeben, die „Senatsvorbesprechung“ (SVB) um 8 Uhr 30 und ein „Senatsfrühstück“ um 10 Uhr.
Müller-Sönksen: „Es ist richtig, dass ich mich nach bestem Wissen und Gewissen daran erinnern kann, dass wir in den Senatsvorbesprechungen der Dreierkoalition über das Thema ‚Feuerbergstraße‘ mehrfach gesprochen haben und sich auch die Senatorin im anschließenden Senatsfrühstück daran beteiligt hat.“ Das Thema „Psychopharmaka“ sei aber nur am Rande einer SVB, also ohne die Senatorin, und nicht explizit auf einem Senatsfrühstück angesprochen worden. Als Zeuge für die „Gretchenfrage“, ob Schnieber-Jastram vom „Unterthema Psychopharmaka“ Kenntnis hatte, könne er „nach bestem Wissen und Gewissen nicht beitragen“.
Die Opposition will ihn trotzdem als Zeugen vorladen. „Wenn die Senatsvorbesprechung über den Einsatz von Psychopharmaka diskutiert und die zuständige Fachsenatorin davon nichts weiß, gibt es für mich erst recht einen Klärungsbedarf“, sagt SPD-Obmann Thomas Böwer.