Linke lässt Polizei tief blicken

Trotz Bedenken stimmt die Linke im Innenausschuss der umstrittenen Reform des Polizeigesetzes zu. Nun dürfen die Beamten leichter auf Videos der BVG zurückgreifen und eigene Kameras installieren

VON PLUTONIA PLARRE

Für die Linke ist die Reform des Berliner Polizeigesetzes Asog eine Kröte, die sie wohl oder übel schlucken musste. Auf einige der geplanten Änderungen hätte seine Partei getrost verzichten können, räumte der Innenexperte der Partei, Udo Wolf, ein. „Aber es gibt Kompromisse, die muss man machen“, sagte Wolf am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Mit den Stimmen der rot-roten Regierungskoalition wurden die geplanten Änderungen im Polizeigesetz gebilligt.

Die Befugnisse der Polizei sollen deutlich ausgeweitet werden. So soll sie zum Bespiel leichter auf die Videoaufzeichnungen aus U-Bahnen, Bussen oder Bahnhöfen zugreifen und zum Teil auch eigene Kameras installieren können. Bisher durfte sie nur auf die BVG-Aufzeichnungen zugreifen, wenn diese eine Straftat anzeigten.

Doch die Reform geht über den Zugriff bei der Strafverfolgung hinaus: Künftig ist auch die präventive Beobachtung erlaubt. Neu ist auch, dass die Uniformierten nun bei Kontrollen Videoaufzeichungen zur Eigensicherung durchführen dürfen. 340 Polizeifahrzeuge sollen mit Videokameras ausgerüstet werden. Auch bei Großveranstaltungen ähnlich der Fußball-WM erhält die Polizei die Befugnis zur Videoüberwachung. Zudem dürfen vermisste und suizidgefährdete Menschen anhand ihrer Handys geortet werden.

Der Abstimmung im Innenausschuss war eine hitzige Debatte über die Neuerung des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Asog) vorausgegangen. Grüne und FDP warfen der rot-roten Regierungskoalition vor, ohne Not grundrechtlich geschützte Bürgerrechte preiszugeben. „Das ist ein Dammbruch in der sicherheitspolitischen Diskussion in Berlin“, entrüstete sich der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann. Der innenpolitische Sprecher der FDP, Björn Jotzo, stellte fest: „Mit dem neuen Asog wird die polizeiliche Totalüberwachung des Nahverkehrs Wirklichkeit.“ Oder anders ausgedrückt: Die drei Millionen Fahrgäste, die täglich die Verkehrsmittel benutzen, würden unter Generalverdacht gestellt. Um die Empörung zu verstehen, muss man wissen, dass sich Regierung und Opposition mit Ausnahme der CDU in Fragen innerer Sicherheit bislang weitgehend einig waren.

Aber nicht nur die Grünen und die FDP laufen gegen die Reform des Asog Sturm. Der Riss geht auch durch die Linkspartei. An der Abstimmung in der Fraktion über die Änderungen hatten in der vergangenen Woche dem Vernehmen nach 20 Abgeordnete teilgenommen. Die Parlamentarierinnen Evrim Baba und Mari Weiß stimmten dagegen, drei Abgeordnete enthielten sich. Evrim Beba begründete ihre Entscheidung am Montag gegenüber der taz damit, die Verschärfungen des Asog gingen weit über das hinaus, was die Linkspartei mit der SPD einst im Koalitionsvertrag vereinbart habe. Sie könne die geplanten Grundrechtseingriffe nicht mittragen, sagte Baba. Das werde auch von verschiedenen Bezirksverbänden so gesehen. Baba verwies auf Reinickendorf, Lichtenberg und Friedrichshain-Kreuzberg.

In einem der taz vorliegenden internen Positionspapier räumen sogar der Landeschef der Linken, Klaus Lederer, und andere Abgeordnete ein: „Wie die Videoaufzeichnung in den U-Bahnhöfen gehört auch die Videoaufzeichnung zur Eigensicherung (gemeint ist die der Polizei, d. Red) zu den Maßnahmen, deren Nutzen zweifelhaft ist.“ Der Gesetzentwurf sei das Ergebnis mehrmonatiger Verhandlungen mit der SPD. Udo Wolf verteidigte diesen im Innenausschuss: „Die Linke hat große Zugeständnisse machen müssen.“ Das Ergebnis sei im Sinne der Bürgerrechte aber vertretbar.