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Archiv-Artikel

Textiles Gestalten

AUSSTELLUNG Der malische Künstler Abdoulaye Konaté arbeitet mit Stoff – thematisch weit gespannt von Aids bis zur Abstraktion. Bei Blain Southern stellt er seine „Useful Dreams“ aus

VON BRIGITTE WERNEBURG

Man könnte in der Wahl seines Materials, nämlich Stoff, einen besonderen Bezug zu seinem Herkunftsland Mali sehen, wo kostbare gewebte und gefärbte Tücher Mittel der Kommunikation und des Gedenkens sind. Tatsächlich aber war es der Mangel an Künstlerfarbe, die den 1953 in Diré geborenen Künstler Abdoulaye Konaté in den 1990er Jahren darauf brachte, mit Stoff zu arbeiten, wie er im Gespräch erzählt.

Abdoulaye Konaté, der in Bamako und Havanna Malerei studierte, legt Wert darauf, dass sein künstlerisches Schaffen nicht zu stark mit Blick auf seine Herkunft interpretiert wird. Er sieht sich, wie er im Gespräch mehrfach betont, als internationalen Künstler. Thematisch greift sein Werk tatsächlich weltweit aus. Es handelt vom Israel-Palästina-Konflikt genauso wie von der Herausforderung der Aids-Epidemie, vom Völkermord in Ruanda wie von den serbischen Kriegsverbrechen in Bosnien, von der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika wie vom iranischen Atomstreit.

Dessen ungeachtet hat sein Werk durch den Gebrauch von Stoff, also den Rückgriff auf ein regionales oder sogar lokales Material, unbedingt gewonnen. Das zeigt seine umfassende Einzelausstellung bei Blain Southern mit dem Titel „Useful Dreams“ sehr gut. Durch das textile Gewebe erhalten sowohl die abstrakten wie die figurativen und installativen Arbeiten eine zusätzliche stofflich-formale, vor allem aber haptische Dimension, die wesentlich ist für deren nachhaltige Wirkung.

Changierende Farben

Die schmalen, sich überlappenden Stoffstreifen der „Composition No. 15 (bleu-jaune)“ etwa, die Abdoulaye Konaté eigens für die Ausstellung in Berlin konzipiert hat, geben dem 206 mal 134 Zentimeter messenden Wandbehang eine faszinierende, plastische Oberfläche. Im unteren Bereich setzt sie fast weiß an, wechselt dann in der Mitte ins Hellblaue, um im oberen Teil schließlich tiefblau zu enden. Da die Ausgangsstoffe offensichtlich Muster zeigten, changiert die Farbe jedes Stoffstreifens noch einmal in sich selbst, was der Abstraktion eine ungeheure Lebendigkeit verleiht.

Und weil in anderen Textilarbeiten die Stoffstreifen zusätzlich bestickt sind oder kleine Taschen oder Knöpfe tragen, lohnt es sich immer, genau hinzuschauen. In der Arbeit „Gris-gris blancs avec personnage“ aus dem Jahr 2013 sind auf den weißen Baumwolluntergrund eine Vielzahl kleiner Stoffwülste aufgenäht. In gleicher Weise ist der Stoff des Baumwollgewands gefertigt, das wohl die im Titel genannte „personnage“ darstellt und von einer Kappe mit einem Gesichtsgitter gekrönt wird. Die Installation frömmelt ein wenig. Denn die Art des Gewandes und der Kopfbedeckung zitiert eine religiöse Kleiderordnung, wie sie nicht nur der Islam kennt, sondern auch christliche Klöster.

Die früheste Arbeit der Ausstellung stammt aus dem Jahr 1995. Der über vier Meter hohe und zweieinhalb Meter breite Wandbehang „Lutte contre le HIV“ zeigt eine aus vornehmlich blauen und schwarzen Stoffteilen genähte menschliche Figur, deren roter Bauch besonders auffällt. Unter der Stoffbahn steht ein Koffer, dessen Deckel auf der Innenseite eine Serigrafie der Mona Lisa schmückt, während im Innern des Koffers ein helles zusammengefaltetes und von einer roten Aids-Schleife gehaltenes Baumwolltuch liegt.

Abdoulaye Konatés Arbeiten sind sehr sinnfällig. So auch die gleichfalls 1995 entstandene Textilinstallation „Bosnie Angola Rwanda“, die schon 2007 in Kassel auf der documenta 12 zu sehen war. Vor einen roten Stoff an der Wand hat der Künstler weiße Tücher gehängt, aus denen er kleinere und größere Stücke herausgerissen hat, so dass es ausschaut, als seien die Tücher mit Blut getränkt. Davor wiederum liegen auf dem Boden Secondhand-Kleider, wie sie von Europa nach Afrika verschifft werden.

Steht der weiche Stoff der Installation in denkbar größtem Kontrast zu den brutalen Geschehnissen, von denen sie spricht, bilden die sorgsam gewebten Tücher aus lokaler Produktion an der Wand und der billige Stoff am Boden von den Kleidern, die die globale Textilindustrie produziert, einen weiteren Widerspruch. Unser Müll, den wir in die armen Länder exportieren, gehört unbedingt zum Bild der Gewalt und der Zerfalls, das wir dort beobachten.

Politisch wie in diesen Anfängen ist Abdoulaye Konatés Werk heute leider nicht mehr. Dabei wären seine „Useful Dreams“ in den gegenwärtigen Zeiten nötiger denn je. Vor allem, träumte er sie so lokal, wie es die Stoffe sind, aus denen er sie webt. Ebola, das Verbrechen der weiblichen Genitalverstümmelung, der Kulturverlust durch die Zerstörung der Schreine, Grabmäler und Moscheen in Timbuktu durch den IS sind drängende Probleme Westafrikas und Malis, die uns alle angehen und bestürzen.

■  Abdoulaye Konaté: „Useful Dreams“. Bei Blain Southern, Potsdamer Str. 77–87. Bis 18. April, Di.–Sa. 11–18 Uhr