„25.000 Todesfälle“

Bremer Forscher warnt vor Wechselwirkungen

Nach Erkenntissen des Bremer Gesundheitsforschers Gerd Glaeske gehen rund 300.000 Klinikeinweisungen und bis zu 25.000 Todesfälle auf Neben- und Wechselwirkungen von – zugelassen – Arzneimitteln zurück. Der 62-Jährige ist seit 1999 Professor für Arzneimittelversorgungsforschung am Institut für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen.

Der Hintergrund von Glaeskes warnenden Hinweisen: Im Zug der geplanten Deutsche Arzneimittel-Agentur (DAMA) war ein Ausbau der heute sechs Zentren zur Erfassung von Nebenwirkungen von zugelassenen Mitteln für bis zu 3,4 Millionen Euro vorgesehen. Vor zwei Wochen scheiterte die DAMA jedoch an einem Veto der Union. Während die Hersteller vor der Zulassung Studien machen, werden in der breiten Anwendung auftretende Risiken nach Ansicht von Experten heute ungenügend beachtet.

„Das darf nicht dem Zufall überlassen werden“, bestätigt Peter T. Sawicki vom Institut für Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Glaeskes Position. Glaeske fordert nun vom Bundesgesundheitsministerium, neben besseren Checks von Patienten auf Nebenwirkungen als Krankheitsursachen, die Einrichtung großer Datenbanken. Die angewendeten Mittel sollten millionenfach dokumentiert werden.

Aus Spargründen müssen sich Patienten der gesetzlichen Krankenkassen verstärkt darauf einstellen, dass sie gewohnte oder gewünschte Arzneimittel nicht mehr bezahlt bekommen. Oft werde Patienten eingeredet, dass bestimmte Mittel wirken, obwohl sie es nicht tun, sagt auch die Gesundheitsministerin. „Die entscheidende Frage in diesem Jahrzehnt“ sei: „Wie finden wir die Akzeptanz für eine Kosten- Nutzen-Bewertung?“ Anders sei die optimale Versorgung aller langfristig nicht mehr finanziell zu sichern.

Seit seiner Gründung im Zug der Gesundheitsreform 2004 hat das pharmaunabhängige IQWiG in rund 26 Fällen den Nutzen von Therapien bewertet. Künftig soll das Institut auch prüfen, ob die Preise für Arzneimittel in angemessenem Verhältnis zum Nutzen stehen. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller warf dem IQWiG „Beurteilungswirrwarr“ vor.

Auf Proteste zehntausender Betroffener stieß 2006 etwa der Fall schnell wirksamer Insulin-Präparate bei Altersdiabetes, die Kassen, Ärzte und Kliniken auf IQWiG-Empfehlung aus den Kassen-Leistungen strichen. Zehn weitere Nutzenbewertungen für Millionen Patienten soll es im ersten Halbjahr 2008 geben, darunter bei Augenscreenings, Stammzelltransplantationen und Diabetesmitteln, wie Sawicki sagte. dpa/taz