der pisa-schocker : Midlums Rache ist gewiss
Er ist nur 27 Meter hoch, nicht ganz dreimal so hoch wie breit. Das ist für einen Turm ziemlich dicklich. Und das schwächt den Eindruck stark. Auch haben die Suurhuser lange nicht erkannt, dass sein einziges charakteristisches Merkmal kein Makel ist. In den 1970er-Jahren war sogar ein Abriss im Gespräch.
Jetzt ist der Suurhuser Backstein-Kirchturm ins Guiness-Buch der Rekorde aufgenommen worden – und das ist ein Schock für Pisa: Gestern bekam die Gemeinde die Urkunde, dass sie über den schiefsten Turm der Welt verfüge. Was nur stimmt, wenn man Bauwerke unter 20 Meter Höhe nicht mitzählt, weil natürlich der Turm in Midlum im Rheiderland noch viel, viel schräger ist, als der in Suurhusen. Die übergangenen Midlumer haben allen Grund, sich zu ärgern und die Hochstapler zum Klootschießen-Duell zu fordern. Denn mit ihrem Turm locken die Suurhuser 10.000 Touristen jährlich ins Dorf, das nur 1.175 Einwohner hat, und der Rekord-Eintrag wird wohl noch mehr bringen. Anders als in Pisa sind in Suurhusen keineswegs Baumängel Ursache der Neigung von mittlerweile 5,19 Grad.
Ebenso wenig wie die Absicht, den Dekonstruktivismus eines Frank Gehry 600 Jahre vorwegzunehmen: Als die Suurhuser ihn im 15. Jahrhundert an ihr Wehrkirchlein dranklatschten, war ihr Turm so lotrecht, wie ein Turm auf morastigem Boden nur sein kann. Nur hat man dann im 19. Jahrhundert noch mehr Land trocken gelegt. Das war nicht gut fürs grundwassergelagerte Fundament aus Eichenbohlen: Es kam Luft dran. Das Holz verschimmelte. Der Turm rutschte ab. Im Jahr 1925 hat man seine morbide Neigung erstmals ausgemessen, der Überhang betrug damals 1,13 Meter mittlerweile liegt er bei 2,47 Meter, und trotz Reparaturen kommt jährlich fast ein halber Zentimeter dazu. Es wird also nicht ewig dauern, das unverdiente Suurhuser Glück: Irgendwann liegt ihr Turm auf dem Friedhof, und dann ist auch der angemaßte Rekord futsch. Denn den umgefallensten Turm der Welt kann es nicht geben. Die Midlumer freuen sich schon auf die Beerdigung. BES