Arbeit von heute auf morgen

Wer Arbeit sucht, sollte möglichst flexibel sein. Dass heißt, rund um die Uhr einsatzbereit und in der Lage, innerhalb weniger Tage eine Kinderbetreuung zu organisieren. Diese Botschaft empfingen die Frauen, die sich auf der ersten Bremer Frauen-Berufs-Messe über Zeitarbeit informierten

„Sie verdienen dort so viel wie bei einem schlecht zahlenden Unternehmen“

von Eiken Bruhn

Von Zeitarbeitsfirmen hält Karla Weilert eigentlich nicht viel. Zu viele schlechte Erfahrungen hätten ihre Freunde und Bekannte mit dieser Art Unternehmen gemacht, erzählt sie. Sie seien nicht bezahlt worden oder nicht in dem versprochenen Umfang. Als sie krank wurden, erhielten sie keine Lohnfortzahlung, sondern die Kündigung. Doch weil die 45-Jährige auf ihrer Jobsuche schon erfolglos einiges probiert hat, will sie den Zeitarbeitsfirmen jetzt doch eine Chance geben.

Karla Weilert will ihren richtigen Namen lieber für sich behalten, da sie ihrem Chef noch nicht gesagt hat, dass sie auf Jobsuche ist. Bis vor drei Jahren hätte sie dazu auch gar keinen Anlass gesehen. Sie ist gerne Arzthelferin und das seit zehn Jahren. Doch vor zwei Jahren stufte der Halsnasenohrenarzt seine Angestellte Weilert von einer Halbtagsstelle mit einem Bruttogehalt von 800 Euro auf einen 400-Euro Minijob herab. Angeblich, weil er sich ihr Gehalt nicht mehr leisten konnte. „Dabei ist die Praxis immer voll“, sagt Weilert und vermutet eher einen Zusammenhang zu dem Managerseminar, das er besucht hatte, kurz bevor er die Putzfrau vor die Tür setzte – deren Job erledigen jetzt Weilert und ihre Kolleginnen – und ihr den Minijob aufdrückte.

Jetzt sucht sie eine Arbeit, bei der sie mehr als 400 Euro bekommt – oder einen Zweitjob. Dabei ist sie nicht wählerisch. „Ich kann auch Brötchen oder Schuhe verkaufen, Hauptsache, ich kann endlich wieder in die Rentenkasse einzahlen“, sagt Weilert, und dass sie auch Spätschichten übernehmen kann. Doch so flexibel sie ist – es reicht nicht. Aufgrund einer chronischen Erkrankung kann Weilert morgens nicht vor halb zehn anfangen zu arbeiten und so flexibel wiederum sind die Arbeitgeber nicht. „Die fordern eine Einsetzbarkeit von 8 bis 20 Uhr“, ist Weilerts Erfahrung.

Flexibilität auf Seiten der Arbeitssuchenden fordern auch die Zeitarbeitsfirmen, hat Weilert am Donnerstag auf der ersten Bremer Frauen-Berufs-Messe erfahren, organisiert von Arbeitsagentur, Arbeitnehmerkammer und Frauengleichstellungsstelle. Dort informierte Regina Krumpe von der Arbeitsagentur über Zeitarbeit. Deren Bedeutung in der Vermittlung von Arbeitskräften würde zunehmen, so Krumpe und forderte das ausschließlich weibliche Publikum dazu auf, diese als „Chance“ zu begreifen. „Wenn ich das jemand anbiete, höre ich ganz oft, ‚oh, nein, bloß keine Zeitarbeit‘ “, erzählte Krumpe. Viele Unternehmen seien aber nun einmal dazu übergegangen, mit einer relativ kleinen Kernbelegschaft zu arbeiten und sich für Spitzenzeiten Zusatzpersonal zu besorgen – und es eben auch wieder abzustoßen, sobald der Auftrag erledigt ist. „Das ist der Zug der Zeit“, so Krumpe.

„Brennende Vakanzen“ nennt Stephanie Friedrich, Personalberaterin bei der „Adecco Personaldienstleistungen GmbH“ die Phase, wenn Unternehmen das eigene Personal nicht reicht und sie bei Zeitarbeitsfirmen wie Adecco auf Suche gehen. Es brennt dann offenbar oft so lichterloh, dass gleich mehrere Agenturen eingeschaltet werden, wie Friedrich bestätigte, die während des Vortrags Fragen aus dem Publikum beantwortete. „Heißt das, die Stelle kann dann plötzlich doch schon weg sein?“, wollte eine Frau von ihr wissen. Friedrich musste auch dies bejahen.

Als besonders großes Manko empfanden viele Frauen den Umstand, dass die Zeitarbeitsfirmen oft von heute auf morgen Verträge abschließen müssen, weil die Unternehmen so kurzfristig suchen. Einerseits brauche man „Geduld“, wie die Arbeitsagentur-Mitarbeiterin Krumpe sagte, andererseits muss es dann aber auch ganz schnell gehen. „Das kann sein, dass ein Kunde zur nächsten Woche eine Bürofachkraft sucht mit Super-Englischkenntnissen, dann hänge ich mich ans Telefon“, schilderte die Adecco-Frau Friedrich eine klassische Situation. Gerade Frauen, die niemand haben, der mal eben die Kinder betreuen kann, stehen dann vor einem großen Problem. Gleich mehrere Frauen aus dem Publikum fragten ungläubig nach: „Und die Zeitarbeitsfirma hilft mir nicht bei der Suche nach einer Kinderbetreuung?“ Friedrich und Krumpe verneinen. „Die müssen sie selbst organisieren.“ Erschwert wird die Suche dadurch, dass es gerade für kleine Kinder zu wenig Plätze gibt und diejenigen vorgezogen werden, die berufstätig sind. Ein Teufelskreis, wie eine Frau sagte. Um eine Betreuung zu bekommen, müsse sie einen Arbeitsplatz vorweisen – den sie nur annehmen kann, wenn sie ihr Kind versorgt weiß.

Normal sei es auch, dass die LeiharbeiterInnen Überstunden machen müssten, etwa 50 statt der vereinbarten 35 Wochenstunden, so Friedrich. Diese Stunden würden auf einem „Arbeitszeitkonto“ gutgeschrieben, so dass der Vertrag mit der Personalagentur nicht sofort ausläuft, wenn der Auftrag erledigt ist. Wenn jemand besonders gut vermittelbar ist, würde sie auch mal den Vertrag aufrechterhalten, obwohl noch kein Anschluss-Auftrag in Sicht sei, so Friedrich. Selbstverständlich würden diese „vorgestreckten“ Stunden auf dem Arbeitszeitkonto aber wieder abgezogen. In Einzelfällen würden sie auch Weiterbildungen organisieren, sagte Friedrich, die Kurse seien kostenlos, allerdings würde die investierte Zeit nicht bezahlt.

Fälle, wie sie Karla Weilert erlebt hat, wo Menschen von den Zeitarbeitsfirmen keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall bekommen haben, seien eindeutig „den schwarzen Schafen“ der Branche zuzurechnen, sagte Friedrich. Um böse Überraschungen zu vermeiden, riet sie dazu, sich auf den Internet-Seiten der Personalagenturen deren Tarifverträge durchzulesen. Und so schlecht würden Adecco und Co. gar nicht zahlen, sagte Krumpe. „Sie verdienen dort so viel wie bei einem schlecht zahlenden Unternehmen.“