Gelebte Demokratie im Kiez

Beim runden Tisch im Bethanien ringen engagierte BürgerInnen um eine Zukunft für das Gebäude. Dabei haben sie noch nicht mal dasselbe Demokratieverständnis

Genossenschaft, Erbbaupacht, Geschäftsbesorgungsvertrag oder Treuhandverwaltung – engagierte KreuzbergerInnen erfahren derzeit, wie sperrig gelebte Demokratie daherkommen kann. Für das Künstlerhaus Bethanien, das durch ein Bürgerbegehren zum Nachbarschaftshaus werden soll, bedeuten diese schnöden rechtlichen Begriffe die Zukunft.

Am 12. Dezember wird die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) darüber entscheiden, welches Trägermodell und welche Finanzierungsart für das „offene soziale, kulturelle, künstlerische und politische Zentrum“ in Frage kommt. Der Weg dahin soll transparent sein: Betroffene und Interessierte sollen sich umfassend informieren und sich eine Meinung bilden können.

So weit die Theorie der runden Tische, zu denen sich seit fast zwei Jahren PolitikerInnen, MieterInnen, Initiativen und AnwohnerInnen treffen. Nach elf langwierigen Sitzungen mit Tagesordnungen, Protokollen und moderierter Diskussion ist man dabei nicht einmal annähernd zum Konsens gelangt.

Am Donnerstagabend sollte es vor allem um Vor- und Nachteile des „Treuhand“-Modells gehen; mit den drei anderen möglichen Konstrukten hatte man sich in früheren Runden auseinandergesetzt. Doch die Diskussion verhakte sich bereits bei Tagesordnungspunkt zwei, dem Protokoll der letzten Sitzung. Wer da formulierungsmäßig unter den Tisch gefallen sei und ob die Bewertung, ein bestimmter Punkt sei abschließend diskutiert worden, nicht Auslegungssache sei – all das diskutierten die rund 30 TeilnehmerInnen mit Hingabe.

Auch Punkt drei, Unterpunkt eins, das Ergebnis einer baulichen Begehung, blieb nicht unkommentiert. 75.000 Euro koste die Behebung dringender Mängel laut Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne), längerfristig müsse man mit einer Million rechnen. Die „Initiative Zukunft Bethanien“ traute den Zahlen nicht und fordert Einsicht ins Begehungsprotokoll. Und die Musikschulleiterin wollte einen neuen Boden.

Die Fraktionen spaltete ihr unterschiedliches Demokratieverständnis: Die einen wollten Arbeitsgruppen gründen und Räume in Gruppenentscheidungsprozessen vergeben, die anderen eine repräsentative Vergabekommission mit Verteilerschlüssel. Für das Künstlerhaus, das nicht mehr reden will, sondern mit Auszug droht, hatte der Bezirk nun einen moderierten Extradialog eingerichtet. Auch das ist gelebte Demokratie.

Welche Trägerstruktur am Ende allen gerecht wird und dabei für Kostendeckung sorgt, entscheidet am Ende aber der Bürgermeister: Er legt der BVV eine Empfehlung vor. Welche das sein wird, weiß Schulz nach eigenem Bekunden noch nicht: „Der einzig sichere Boden, auf dem wir uns bewegen, ist die Drucksache des Bürgerbegehrens. Alles andere ist hochkomplexe Materie.“ NINA APIN