: Zum Abschied Leberwurst
Mit Leipzigs Kommissar Bruno Ehrlicher verlässt nun die rustikale Gerechtigkeit den „Tatort“ (So., 20.15 Uhr, ARD)
Lachs-Tartar oder Leberwurstbrot? Für Ehrlicher (Peter Sodann) ist die Antwort klar: Seine Verabschiedung aus dem Polizeidienst soll so schlicht und rustikal sein wie das Auftreten des Hauptkommissars insgesamt. Durch einen letzten Fall noch schmollt und schnuppert sich der Ermittler alter Schule, der seine olle Lederaktentasche mit sich rumträgt wie die Kumpels im Braunkohle-Tagebau um Leipzig herum ihre Butterbrotdosen.
Nicht einen Tag habe er während seines Arbeitslebens gefehlt – so resümiert der Beamte in „Die Falle“ einmal vor einem edlen Bungalow, dessen käuflicher Erwerb für den Alten ganz und gar unmöglich erscheint. Mit ehrlicher Arbeit, so weiß Ehrlicher, ließe sich so was doch gar nicht erwerben. Und tatsächlich gehört das weiße Prachtstück einem ermordeten Finanzmakler, der nebenbei Hausfrauen auf den Strich schickte, die sich bei ihm durch Hauskauf hoch verschuldet hatten.
Sexarbeit als Alternative zum Bausparvertrag: Da haben sich die „Tatort“-Veteranen Hajo Gies (Regie) und Hans-Werner Honert (Buch) einen Plot ausgedacht, der die marktorientierte Neuordnung des Ostens so sinnfällig wie süffisant auf den Punkt bringt – und dann auch noch über amouröse Verstrickungen Kollege Kain ins kriminelle Geschehen verstrickt.
Nicht jede der 44 vorangegangenen Kain-und-Ehrlicher-Episoden besaß so eine Schärfe. Die deutsch-deutsche Problematik wurde zuletzt in anderen TV-Krimis beherzter ins Visier genommen: Im NDR-„Polizeiruf“ aus Schwerin etwa fand man zwischenzeitlich die stärkeren Bilder für die Stimmung in den Ruinen des Aufbaus Ost, und für die ebenfalls in Mecklenburg angesiedelte ZDF-Reihe „Solo für Schwarz“ mit Barbara Rudnik (nächste Folge „Tödliche Blicke“: Mo., 20.15 Uhr) werden konsequenter die psychologischen Altlasten des einstigen Unrechtsstaates aufgearbeitet.
Ob mit den beiden neuen Ermittlerdarstellern Simone Thomalla und Martin Wuttke, mit denen Anfang nächste Jahres der erste Fall ausgestrahlt wird, jetzt neuer Wind in die generell recht unbewegliche MDR-Redaktion einzieht, bleibt abzuwarten. Mit Ehrlicher aber, so viel steht fest, verlässt der letzte rustikale Gerechtigkeits-Knarzbolzen den öffentlich-rechtlichen Fernsehbetrieb. CHRISTIAN BUSS