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Archiv-Artikel

Wertgeschätzte Kunst

KUNST-WERT Wie teuer ist eigentlich Unbezahlbares? Wie in der Kunst Preisvorstellungen entstehen, untersucht Jacqueline Nowikovskys Studie „Der Wert in der Kunst“

In der Bereitschaft, Millionen für die Kunst zu zahlen, steckt viel Irrationales

VON HAJO SCHIFF

Wie teuer ist etwas Unbezahlbares? Solch paradoxe Frage drängt sich auf, wenn wieder ein Auktionsrekord gemeldet wird. Bilder von Picasso, Klimt, de Kooning oder Pollock – alle wurden in den letzten Jahren für über hundert Millionen Dollar verkauft. Die alten Meister sind dagegen billiger: Rembrandt, Turner oder Jacopo Pontormo waren schon zwischen neun und fünfunddreißig Millionen zu haben. Zugegeben, ein Luxusproblem, aber doch ein erstaunliches Phänomen. Wie kommen derartige Preise für Farbe auf Leinwand zustande? Nirgends im Kunstwerk lässt sich der Preis auffinden – der reine Materialwert war kaum je ausschlaggebend, auch wenn die Verwendung von Gold und zermahlenem blauen Lapislazuli bei Heiligenbildern vor Jahrhunderten ebenso wie heute der Einsatz von Diamanten bei Damien Hirst den Preis schon etwas steigert. Gefallen und Geschmack sind subjektive, keineswegs direkt in Zahlen umrechenbare Kriterien. Auch die kunsthistorisch zugeschriebene Bedeutung eines einzelnen Werkes liefert keine Zahlen. Und das Neue, das Geniale, auch das sind gruppenspezifische Urteile und keine quantifizierbaren Qualitäten.

Wie unter solchen Bedingungen dennoch Preisvorstellungen entstehen, welche Rolle dabei die Galeristen, Auktionshäuser, Museen und private Sammler spielen, erörtert eine neu erschienene Studie von Jacqueline Nowikovsky. Aus ihrer philosophischen Doktorarbeit hat die Wienerin ein zweihundert Seiten starkes Buch gemacht, das kenntnisreich die Wertfrage und ihre Geschichte ausleuchtet. Dass es dabei nicht um schlüssige Antworten, sondern eher um „deskriptive Observationen“ geht, räumt sie selbst ein. Die Autorin ist aber keine rein universitäre Theoretikerin, was das Gespräch mit ihr am Dienstag im Kultwerk West bestimmt interessant macht. Denn sie kennt sich in verschieden Bereichen des Themas auch unmittelbar aus. So hat sie in der berühmten Galerie Jan Krugier (Genf/New York) gearbeitet und ist heute im Bereich Immobilien mit einem weiteren, ebenfalls knappen Gut des Luxusmarktes befasst.

In der Kunstszene kommen die zum Sparen angehaltenen Museen als Preistreiber nicht in Frage und die Vermögen der meisten Sammler sind endlich. In der Bereitschaft, Millionen für die Kunst zu zahlen, steckt überhaupt viel Irrationales. Neben nicht zu leugnendem inhaltlichen Interesse vieler Sammler geht es beim „Cash Commitment“, also der Besiegelung einer Vorliebe durch die Bereitschaft, gegebenenfalls schmerzhaft viel dafür zu zahlen, oft auch um die Vorstellung, soziale Anerkennung zu kaufen. Kunst ist im sozialen Kontext ein Luxusgut, erworben zur demonstrativen Verschwendung und als neidvoll zu betrachtende Trophäe wie einst der selbsterlegte Löwe vorm Kamin. Jacqueline Nowikovsky sieht im Gruppenapplaus für Höchstgebote bei Auktionen so etwas wie eine „Potenzparade“ einer kleinen Elite.

Die Nutzung von Kunst als Selbstdarstellung und als Untermauerung des gesellschaftlichen Status ist nicht neu. Sie ist seit der Renaissance wesentlicher Bestandteil des Aufschwungs der Bildenden Kunst. Und der (eher selten gewordene) Mäzen heißt ja nach dem Römer Gaius Clinius Maecenas (70 – 08 vor unserer Zeit). Auch hatte beispielsweise schon Caesar eine Kunstsammlung, die allerdings wohl weitgehend aus Plünderungen stammte.

Heute sind Vernissagen ein Partyereignis, die großen Kunstmessen ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Die Ernsthaftigkeit des Interesses an Kunst wird aber weder an modisch gestylter Präsenz noch gar an kenntnisreicher Kritik gemessen, sondern in dieser so extrem geldbezogenen Zeit schlicht am Kauf. Das beginnt im Off-Raum mit einer billigen Kugelschreiberzeichnung und endet im Jet-Set eben mit den Millonendollarkäufen rarer Meisterwerke.

Vielleicht ebenso erwähnenswert: Auch die Presse hilft bei Trendsetzung und Wertsteigerung. Das aber ist genau wie alles andere ein nur schwer quantifizierbarer Effekt im komplexen Geflecht des Kunstbetriebes. Es sei denn, die geschätzten Leser gingen aufgrund dieser Zeilen jetzt massenhaft zu der Veranstaltung im Kultwerk.

■ Dr. Jacqueline Nowikovsky im Gespräch mit Prof. Elke Jensen: Di, 22. 11., 20 Uhr, Kultwerk West, Kleine Freiheit 42

Jacqueline Nowikovsky: Der Wert der Kunst. Czernin Verlag, Wien, 224 Seiten, Hardcover, 24.90 Euro