: Festival mit Origami-Appeal
GENDER Die Berlin Feminist Film Week zeigt Produktionen von Frauen, die die Positionen weiblicher Identitäten hinterfragen
VON CAROLIN WEIDNER
Seit einigen Jahren findet im Schlagschatten der Berlinale das Netzwerktreffen „Get NewWorked Up“ statt, das sich explizit an Frauen in der Filmbranche richtet und Missstände thematisiert, von denen man sich einige hundert Meter weiter im Berlinale Palast selbst überzeugen kann. So belief sich der Anteil von Wettbewerbsfilmen unter der Regie einer Frau 2015 auf mickrige 13 Prozent, das sind drei Filme von dreiundzwanzig. Eröffnet wurde das Treffen allerdings mit einem Zitat von „Selma“-Regisseurin Ava DuVernay: „Women making film is a radical act.“ Auch das Festivalmachen in finanzieller Unsicherheit ist keine zimperliche Tat. Und wenn sich das Festival auf die Vorführung von Filmen „beschränkt“, die von Frauen gedreht wurden und vorrangig Gegenstände behandeln, die mit weiblicher Identität verknüpft sind, dann ist das umso mutiger. Das würde auch zum Motiv passen, für das sich Initiatorin Karin Fornander entschieden hat, und welches die Plakate der zweiten Berlin Feminist Film Week ziert, die vom 6. bis zum 13. März an verschiedenen Berliner Veranstaltungsorten ausgerichtet wird: eine Origami-Vulva.
Das ist unmissverständlich aber nicht anstößig, sogar schick – die Origami-Vulva passt gut zum Programm, das ein möglichst breites Publikum ansprechen, aber niemanden abschrecken will, Positionen auf den Prüfstand stellt, aber keine Kampfansage ist. „Es gibt tolle feministische Veranstaltungen in Berlin, aber viele sind auf deutsch, sehr Szene-nah. Manchmal traue ich mich da nicht hin. Ich denke, dass das bei uns offener ist, Leute haben den Mut, Fragen zu stellen.“, so die US-Amerikanerin Fornander. Nach den Vorführungen gibt es Zeit zum Diskutieren und es sind Gäste angekündigt. So folgt auf das Kurzfilmprogramm „Bluestockings & Bimbos“ am Montag im Urban Spree ein Vortrag von Diana Weis zum Thema Schönheitsnormen. Für „The silent revolution: Women in Islam“ (10. März, ebenfalls Urban Spree) mit Rosa Rogers sehr sehenswertem Dokumentarfilm „Casablanca Calling“ (UK/MA 2014), der Morchidats (weibliche Geistliche) bei ihrer Arbeit auf dem Land, im Gefängnis und Schulen zeigt, ist die Professorin Wendy Meryem Kural Shaw anwesend. Und Gillian Robespierres Comedy-Drama „Obvious Child“ (USA 2014) am 13. März im Schwuz geht mit der Buchvorstellung von Sarah Diehls „Die Uhr, die nicht tickt: Kinderlos glücklich“ einher.
„Obvious Child“ ist ein gutes Beispiel für einen Spielfilm, der auf der Berlin Feminist Film Week zu finden ist – eine in New York angesiedelte Geschichte mit einer weiblichen Hauptfigur, die sich mit einer Situation konfrontiert sieht, die alltäglich ist, aber filmisch eher selten aufgegriffen wird. „Obvious Child“ stellt sich für einige Tage an die Seite von Donna Stern (Jenny Slate), die sich auf kleinen Bühnen mit Comedy verdingt, gerade von ihrem Freund verlassen wurde (was zum Inhalt einiger Auftritte wird) und nach einem One-Night-Stand feststellt, dass sie schwanger ist. Radikal ist dabei weniger die Entscheidung gegen ein Austragen, als Sterns öffentlicher Umgang damit. Einen sensiblen Punkt trifft auch „Motherhood = Horror?“ am 12. März in der Griessmühle. Neben einigen Kurzfilmen steht hier vor allem Jennifer Kents „The Babadook“ (AUS 2014) auf dem Programm, ein Horrorfilm, über den William Friedkin („The Excorist“) im November twitterte: „Psycho, Alien, Diabolique, and now THE BABADOOK.“
In ihm wird eine Mutter mit ihrem Sohn von einem unheimlichen Wesen, dem Babadook, heimgesucht, das beiden zunächst in einem Kinderbuch begegnete und es fortan auf sie abgesehen hat. Der Film besitzt, wie im Horror gerne üblich, ein massives psychoanalytisches Fundament, das Konzept „Mutterliebe“ wird auf recht brutale Weise strapaziert – was auch mit einer gewissen Form von Erleichterung einhergeht. Ein Effekt, der das Drücken schmerzempfindlicher Stellen mit sich bringt. Und von diesen Stellen hat das Festival, trotz Origami-Appeal, einige.
■ Feminist Film Week: Urban Spree, SchwuZ, Hallesches Haus, Brotfabrik-Kino, Griessmühle, 6. bis 13. März, www.berlinfeministfilmweek.com