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Archiv-Artikel

Monotonie in der Südsee

REISE Die Internationale Tourismus Börse (ITB) wird in Berlin Lügenbörse genannt. Warum? Touristen sind wandernde Geldbeutel

Warum sieht man nur kleine, dicke Männer mit Halbglatze auf der „Lügen-Messe“, wie die Berliner die „Internationale Tourismus Börse“ (ITB) nennen, weil sie voller haltloser Versprechen ist („preiswertes Zimmer mit Blick aufs Meer“ zum Beispiel)? Auf der „Grünen Woche“ kann man das Angebot der Länder riechen und schmecken (etwa an den zwei Ukraineständen: Kaviar mit Wodka und am Russland-Stand: Stör mit Wodka). Auf der ITB gibt es dagegen nur Farbposter und bewegte Bilder – meist mit lachenden Touristen drauf. Dazu bestenfalls einige herausgeputzte Models in Landestracht. Alles Lügen! Je verbrecherischer das Regime (Jemen, Iran, Sudan/Südsudan, Irak, Algerien, die Emirate, Weißrussland, Papua-Neuguinea, Turkmenistan und die anderen), desto schöner ist auch seine Touristenwerbung.

Nur Niedersachsen und meine Heimatstadt Bremen sind ehrlich: Sie preisen sich mit ihren potthässlichen Flughäfen an. Eigentlich haben sie die Hoffnung auf Touristen längst aufgegeben, die Reklame ist für ihre Eingeborenen: „Up up and away“.

Südostasien bewirbt sich dazu so: „Total abgefahren: Thailand unter 200 Euro!“ Die USA werben mit der New York Times und dem Spruch „Die Welt und was man daraus machen kann.“ – „Machen muss!“, sollte es wohl heißen.

Der Tourist ist ein Konsument (von Landschaften, Abenteuern, Exotik) und will vor allem sparen. Deswegen haben die Staaten aber nicht ganze Hallen auf der ITB für zigtausend Euro belegt: Der Tourist ist ein wandelnder Geldbeutel – für die Eingeborenen an seinem Urlaubsort: Wer es nicht schafft, ihn in kurzer Zeit charmant aber nachhaltig auszunehmen wie eine Weihnachtsgans, der muss ihm zur Not eins übern Schädel geben.

Nicht wenige Länder vermarkten neben Wildtieren ihre letzten „Wilden“ – in Kriegsschmuck. Gegenüber vom „Arctika-Antartic“-Stand bestellte ich mir erst einmal auf taz-Kosten an einer „Surf-Bar“ ein Erfrischungsgetränk, das von einem muskulösen Rettungsschwimmer in Badehose serviert wurde. Ich war hier wegen der „Mongolei“, die in diesem Jahr Messeschwerpunkt war und deswegen viel Platz bekommen hatte.

Zwar warb auch sie mit zig Farbprospekten, aber bei ihr wusste ich immerhin: Die schönen Kamele in der Gobi kann man eigentlich nicht reiten, denn sie stinken bestialisch, weil sie sich nicht von Gras, sondern von einer Lauchart ernähren. Auch die mit vielen Bildern gepriesene Kulinarik der Mongolei ist arg gewöhnungsbedürftig, da sie fast nur aus Fleischgerichten besteht. Der Mongolenspruch „Nomadic by Nature“ ist gelogen, denn ihre Politiker und die USA wollen sie sesshaft machen. Den Werbespruch der Hauptstadt Ulan Bator: „The city you’ll never get bored“ lass ich so stehen. Zumal dieser hohe Ton in der Tourismusbranche Standard ist.

In den „ITB Berlin News“ kommt vorneweg der Präsident der Mongolei zu Wort. Er meint: „The incredible networking tools put in place by the ITB over the past years continue in strength and efficiency.“ Da argwöhnt jeder Berliner sofort: Das kann ja heiter werden! HELMUT HÖGE