Ruinierte Symbolfigur

In der Frage, ob sich der Bremer Krankenhaus-Manager Andreas Lindner bereichern oder den Profit der kommunalen Klinik steigern wollte, war man sich bei den gestrigen Plädoyers im Prozess uneins

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Er hätte den Aufbruch in die neue Zeit des örtlichen Gesundheitswesen verkörpern sollen. Für Schlagzeilen gesorgt hat Andreas Lindner dann aber als Schlüsselfigur des Bremer Krankenhausskandals: Gestern war im Strafprozess gegen den Ex-Geschäftsführer des kommunalen Klinikums Bremen Ost (KBO) Zeit für die Plädoyers.

In Kurzfassung: Staatsanwalt Jörn Hauschild hob die „erhebliche kriminelle Energie“ Lindners hervor und forderte eine Gesamtstrafe von fünf Jahren und drei Monaten. Der Angeklagte habe „nicht erkennbar zur Beschleunigung des Verfahrens beigetragen“. Lindners Anwälte Torge Rudek und Knut Marel konterten mit Kritik an den Ermittlungen: „Gar nichts Entlastendes“ habe die Staatsanwaltschaft vorgetragen, so Marel, und monierte, dass zwar Lindners Privatwagen und -wohnung durchsucht wurden, nicht aber sein Büro im KBO. Ein „absurder Vorwurf“, so Hauschild nach der Verhandlung: „Es ist unüblich, öffentliche Einrichtungen zu durchsuchen.“

Im Strafmaß lag man so weit nicht auseinander: „Nicht mehr als vier Jahre“ kämen in Frage, appellierte Marel an die Kammer. Lindner, dem Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe drohen, verzichtete auf ein Schlusswort.

Der Klinikskandal war zuvor Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gewesen. Zwar hatte dessen Abschlussbericht auch Kritik an der Verwaltung geübt. Aber dass der Eindruck eines vorweggenommenen Strafprozesses überwog, hatten die Akteure im Bürgerschaftswahlkampf in Kauf genommen: Die SPD ist fürs Sozialressort zuständig, Grüne und CDU rechneten sich Chancen als Juniorpartner einer neuen Koalition aus. „Im Mittelpunkt der Affäre steht Lindner“ resümierte damals die FAZ, in der taz war „ein krimineller Klinikchef“ Hauptfigur des Berichts.

Der politische Wille, den einschlägig vorbestraften Krankenhausmanager aus der Privatwirtschaft ohne jede Überprüfung anzuheuern, hieß: Klinikreform. Ziel war es, die kommunalen Krankenhäuser in Profit-Center umzuwandeln. Die Verteidiger mühten sich, Lindners Geschäftspraxis vor diesem Hintergrund zu deuten: Zum Beispiel den Deal mit der Siekertal-Klinik, einer Reha-Einrichtung in Bad Oeynhausen. Die Lindner gehörte. Und die dem Personal Niedriglöhne zahlte. Als KBO-Geschäftsführer verabredete er mit dem Billiganbieter Siekertal, ihm eine bestimmte Anzahl KBO-Patienten zukommen zu lassen. Dadurch wären in Bremen Betten frei geworden, die mit von anderen Kliniken überwiesenen Patienten hätten belegt werden können. Für die zahlen die Krankenkassen nämlich 6.000 statt 2.000 Euro Fallpauschale. „Das Modell hätte sich gerechnet“, so Pflichtverteidiger Rudek.

Hauschild mochte derlei Motive nicht erkennen: Lindners Aktivitäten hätten „allein der persönlichen Bereicherung gedient“, seine Beteiligung an Siekertal habe er vorm Aufsichtsrat „bewusst verschleiert“, auch habe er im Namen des KBO Anschaffungen „ohne wirtschaftliche Notwendigkeit“ und ohne Rücksicht aufs Vergaberecht getätigt. Eklatantestes Beispiel: Die Bestellung von 1.000 Multimedia-Nachttischchen à 5.684 Euro: Teil des Millionen-Deals war eine Provision von 345.000 Euro. Der Empfänger: Ein Strohmann Lindners. In sechs Fällen habe er sich durch Untreue, in einem Fall durch Bestechung schuldig gemacht. Das Urteil wird am Dienstag verkündet.