LESERINNENBRIEFE
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Eine Chance für Jugendliche

■ betr.: „Viele Jugendliche drehen nur Schleifen“, taz vom 16. 11. 11

Heike Solga hat Recht: Das sogenannte Übergangssystem muss mit der regulären Berufsausbildung besser verzahnt werden, das heißt, das Duale System muss anders organisiert werden, damit es mehr Jugendlichen die Chance auf einen anerkannten Berufsabschluss mit Kammerprüfung bieten kann.

Das Berufsbildungsgesetz und die Handwerksordnung sehen ausdrücklich die Anerkennung von Ausbildungsleistungen vor, die in Vollzeitberufsschulen erbracht werden. Dazu müssten die Bundesländer und die Berufsschulen auf der einen Seite sowie die Betriebe und vor allem die Kammern andererseits an einem Strang ziehen und sich als Partner begreifen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: Jugendliche effizient auszubilden und ihnen den Übergang ins Berufsleben zu ebnen, statt sie in Warteschleifen abzustellen. Es existieren bereits „Verzahnungsmodelle“, die Zeitanteile zwischen Schule und Betrieb ähnlich dem klassischen Dualen System haben, diese aber anders verteilen. Vorgesehen ist eine Kombination von vorlaufender schulischer und anschließender betrieblicher Berufsausbildung – dies würde die Betriebe von der kostenträchtigen Ausbildung im ersten und einem Teil des zweiten Ausbildungsjahrs entlasten. Sie bekämen dann Auszubildende mit guten Vorkenntnissen. Und das nach wie vor zu knappe Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen könnte gesteigert werden. Fragt man Ausbildungsbetriebe, ob sie sich an einer derartig strukturierten Ausbildung beteiligen würden, so ist es lediglich eine verschwindend kleine Minderheit, die dieser Idee ablehnend gegenübersteht. Ein Modell also, das nur Vorteile bietet, könnte man meinen. Aber seit Jahren geschieht so gut wie nichts. Es werden nach wie vor junge Menschen im sogenannten Übergangssystem aufbewahrt; nicht zuletzt, weil die Spitzenverbände der Kammern diese Verzahnungsmodelle ablehnen(„Verschulungstendenzen?“) und die Gewerkschaften sich in diesem Punkt nicht engagieren.

EDITH BELLAIRE, HARALD BRANDES, Bonn

CDU ist nicht interessiert

■ betr.: „CDU will Mindestlohn doch nur vielleicht“, taz vom 21. 11. 11

Der Streit innerhalb der CDU über den Mindestlohn zeigt, dass die Christdemokraten überhaupt nicht daran interessiert sind, jedem Arbeitnehmer das Recht einzuräumen, von seiner Arbeit in Würde leben zu können. Die CDU-Vorschläge zur Einführung des Mindestlohn beinhalten dermaßen viele Ausnahmen und Fallstricke, dass Arbeitnehmer in Minijobs, Leiharbeit und befristeter Zeitarbeit weiterhin trotz Arbeit im zunehmenden Niedriglohnsektor anspruchsberechtigte „Aufstocker“ mit zusätzlichem Hartz-IV-Bezug vom Staat bleiben. Von einem menschwürdigen gesetzlichen Mindestlohn ist die CDU meilenweit entfernt.

ALBERT ALTEN, Wernigerode

Perspektiven werden zerstört

■ betr.: „So nutzlos wie möglich“, taz vom 21. 11. 11

Ein-Euro-Jobs sind nur zu rechtfertigen, wenn sie gut qualifizieren. Manchmal zunächst in Struktur des Tagesablaufs wie beispielsweise Zuverlässigkeit oder soziale Reintegration. Aber dann auch im Erlernen anderer oder neuer Tätigkeiten – oder überhaupt welcher. Dazu gehört eine wertschätzende Betreuung. Schließt man das alles aus, sorgt man dafür, dass Vermittlungen in den ersten Arbeitsmarkt in diesem Bereich völlig verunmöglicht werden. Die Instrumentenreform und die bisher erfolgten Verschärfungen in diesem Bereich müssen unverzüglich zurückgenommen werden, die Kontrolle aber grundsätzlich verschärft werden. Denn diese Verschärfungen zerstören nicht nur Perspektiven bei denen, die sie brauchen, sie vernichten auch Arbeitsplätze bei denen, die diese Menschen sinnstiftend betreuen. JÖRG RUPP, Malsch

Agrarpolitik ändern

■ betr.: „Tödliche Keime“, „Die Kommission kneift“, taz v. 18. 11. 11

„Die EU schlägt Alarm“, aber ihre wenig wirkungsvollen Vorschläge zur Behebung des Problems bedeuten doch nur ein Herumdoktern an den Symptomen. Nur eine Änderung der Agrarpolitik könnte Erfolg versprechen: ein Verbot der agrarindustriellen Großanlagen, in denen die Tiere unter eklatanten Tierschutzverletzungen auf engstem Raum gehalten werden und dadurch besonders anfällig sind für Krankheiten. Hier sind politische Weichenstellungen vonnöten, wenn verhindert werden soll, dass sich die Resistenzen weiter verbreiten und die Bevölkerung bedrohen. Schließlich hat die Regierung eine Fürsorgepflicht gegenüber den BürgerInnen.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Zaudern beenden

■ betr.: „Kanzlerin verweigert EU-Partnern Hilfe“, taz vom 18. 11. 11

Es wird Zeit, dass die deutsche Regierung ihr Zaudern beendet und endlich das Primat der Politik über die Finanzmärkte zurückgewinnt. Wer Europa als Weltwährungsraum erhalten will, darf nicht in längst überwundene Kleinstaaterei zurückfallen. Deutschland ist auf einen großen europäischen Binnenmarkt angewiesen. Die Verantwortung der EZB in die Bilanzen zu schieben ist dagegen ein mieses Spiel. Es bleibt zu hoffen, dass Deutschland nicht zu spät reagiert. Die EWS-Krise 1992/93 mahnt. Sie dürfte ein Spaziergang sein gegenüber einem Auseinanderbrechen des Euro. TOBIAS POHL, Frankfurt