piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein langer Weg zur Massentauglichkeit

PRAXIS Der Absatz von Elektroautos leidet an hohen Preisen und geringer Reichweite der Fahrzeuge

BERLIN taz | Vor fast fünf Jahren begann der Aufbruch in ein neues Zeitalter des Autoverkehrs. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief die Spitzen der Autoindustrie und der Stromversorger ins Kanzleramt, um Wege zur Durchsetzung der Elektromobilität auszuloten. Es folgte die mit viel medialem Wind gegründete Nationale Plattform Elektromobilität, in der sich seither die Experten aller beteiligten Branchen die Köpfe über Lösungen für die vielfältigen Probleme beim Umstieg auf Stromantriebe zerbrechen. Ein plakatives Ziel war auch schnell gefunden. Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektromobile auf Deutschlands Straßen rollen. Nebenbei soll die Wirtschaft die Bundesrepublik zum Leitmarkt für die damit verbundenen Technologien machen.

Gemessen an den Zielen sind die bisherigen Erfolge überschaubar. Anfang 2015 waren gerade einmal knapp 19.000 Elektroautos angemeldet. Zum Vergleich: Insgesamt sind mehr als 40 Millionen Autos auf den Straßen unterwegs. Hinzu kommen zwar noch 108.000 Hybridfahrzeuge. Doch diese fahren eben nur zum Teil mit Strom. In einer gemeinsamen Studie kamen das unternehmensnahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und die Deutsche Bank schon 2011 zu dem Ergebnis, dass das E-Mobil einstweilen ein Nischenprodukt bleiben wird. Zum Ende des Jahrzehnts werden demnach maximal 240.000 Elektroautos im Jahr Käufer finden. Gemessen an rund 3 Millionen neu zugelassenen Personenkraftfahrzeugen im Jahr bleibt der Anteil demnach eher gering.

Es gibt nach wie vor eine Fülle ungelöster Probleme. Zumindest bis es eine echte Massenfertigung von E-Mobilen geben wird, sind die hohen Anschaffungskosten ein Bremsklotz für den Verkauf. Der VW-Kleinwagen Up! kostet zum Beispiel mit 27.000 Euro als Elektrofahrzeug dreimal soviel wie die Grundvariante des Modells mit dem bewährten Ottomotor. Käufer müssen zudem mit einer erheblichen Unsicherheit leben, weil der Wiederverkaufswert ihres Fahrzeugs nicht verlässlich prognostiziert werden kann. Sollte die Lebensdauer der Batterien, die der wesentliche Kostentreiber von Elektroautos ist, sehr begrenzt sein, müssen die Besitzer mit einem rasanten Wertverlust rechnen.

Technische Knackpunkt sind diese Batterien. Sie sind immer noch groß und schwer. Die Kapazitäten lassen nur begrenzte Reichweiten zu. Als Durchschnitt geben Experten 150 Kilometer an. Das reicht zwar für einen großen Teil der von Autofahrern absolvierten Strecken. Schon bei einer Urlaubsreise wird die Reichweite aber zum Problem, weil es an einem flächendeckende Netz an Stromtankstellen in Deutschland hapert.

Hinzu kommen noch geradezu absurde, industriepolitisch motivierte Hemmnisse, wie der grüne Abgeordnete Stephan Kühn durch eine Anfrage in Erfahrung gebracht hat. So werden entlang der A9 an Raststätten Schnellladestationen aufgebaut. Doch taugen nur die Stecker deutscher Hersteller für einen flotten Stromfluss. Autos von Nissan oder Mitsubishi müssen mit der langen Ladezeit vorlieb nehmen. „Nur die Hälfte der E-Fahrzeuge kann schnell betankt werden“, kritisiert Kühn. So würden die Pioniere der Technik ausgebremst. Hintergrund ist das Interesse der Hersteller weltweit, ihre technischen Standards durchzusetzen.

An faszinierenden Ideen für das Energiemanagement mangelt es nicht. So könnten die Batterien der Elektroautos überschüssig produzierten Strom aus erneuerbaren Energien zwischenlagern oder Straßenlaternen als Stromtankstellen fungieren. Gemeinsam ist allen Vorschlägen, dass sie in der Praxis unerprobt sind. Immerhin haben mittlerweile die meisten Autohersteller E-Modelle im Angebot. Es wird nur länger dauern, bis sie sich einen Massenmarkt erobern. In anderen Ländern hilft der Staat durch Kaufzuschüsse stark nach. Spanien subventioniert den Kauf mit über 7.000 Euro, Frankreich mit 5.000 Euro und auch die USA noch mit gut 800 Euro.

WOLFGANG MULKE