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Archiv-Artikel

Lizenz zum Klimakillen

Sein Vertrag mit Vattenfall über den Bau des Megakraftwerks Moorburg bringt Hamburgs Regierungschef Ole von Beust (CDU) massive Kritik von Opposition und allen Umweltverbänden ein. Lediglich die Handelskammer findet ihren Bürgermeister gut

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Wenn es die Handelskammer nicht gäbe, hätte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sich gestern recht einsam gefühlt. „Eine kluge Entscheidung für Arbeitsplätze und Umweltschutz“ sei der Beschluss, dem Energiemulti Vattenfall den Bau des größten deutschen Steinkohlekraftwerks im Hamburger Hafen zu erlauben, lobte Handelskammer-Präses Karl-Joachim Dreyer. So dürfen der oberste Wirtschaftsboss und sein Regierungschef, deren Residenzen Rücken an Rücken im Zentrum der Hansestadt stehen, sich immerhin zu zweit unverstanden fühlen. Denn sonst hagelte es Kritik.

Die rot-grüne Opposition, der Zukunftsrat Hamburg sowie alle einschlägigen Umweltverbände – BUND, Greenpeace, Nabu und Robin Wood – ließen gestern kein gutes Haar an der Vereinbarung, die Bürgermeister und Konzern am Mittwochabend auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz im Rathaus verkündet hatten (taz berichtete gestern).

Diese „Nacht- und Nebelaktion“, wie SPD-Landeschef Ingo Egloff es nannte, sei „die modernste Methode zur Fortsetzung der Klimakatastrophe“, höhnte Robin Wood. Vor dem Hauptportal des Rathauses hatten gestern Nachmittag zwei Aktivisten der Umweltschutzorganisation an der Spitze von Laternenpfählen ein Transparent „Klimakiller Vattenfall – Nein zum Kohlekraftwerk in Moorburg“ gespannt, während die KollegInnen von Greenpeace den Eingang der Umweltbehörde mit schwarzen Müllsäcken mit der Aufschrift „CO2“ blockierten.

Das Steinkohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.640 Megawatt soll ab 2012 Strom und Fernwärme produzieren. Sicher ist, dass aus den Schornsteinen der beiden Blöcke pro Jahr rund 8,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen wird. Das entspricht rund 40 Prozent der gesamten Emissionen Hamburgs oder dem Anteil, den der Straßenverkehr verursacht, oder auch, wie Greenpeace errechnet hat, dem CO2-Ausstoß des Staates Bolivien. Mit solcher „Steinzeittechnologie“, befindet der Nabu, würde jeder wirksame Klimaschutz torpediert.

Vattenfall und der Senat hatten am Mittwoch die Errichtung des Kraftwerks vertraglich vereinbart. Zugestanden wurde auch der vorzeitige Baubeginn, obwohl das Genehmigungsverfahren noch gar nicht beendet ist. Ein Planfeststellungsbeschluss liegt noch nicht vor. Auch hat die Hamburger Bürgerschaft noch nicht über die Petition von 12.000 BürgerInnen beraten, die mit ihren Unterschriften eine Befassung im Parlament durchgesetzt haben.

Diese Entscheidung von Beusts „über die Köpfe der Bürger und des Parlaments hinweg ist hochmütig“, kritisierte denn auch gestern der SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann. 100 Tage vor der Bürgerschaftswahl im Februar 2008 zwinge von Beust mit seinem „Kniefall vor Vattenfall“, wie der BUND es nennt, der Stadt eine Energieform auf, welche die Umwelt „40 Jahre lang belasten wird“.

Naumann kündigte an, er werde als Bürgermeister mit Vattenfall über eine Halbierung der Kraftwerkskapazität verhandeln. Die SPD-Umweltexpertin Monika Schaal kritisierte, dass der Konzern mit dem Bau von Moorburg seine Monopolstellung auf dem Markt weiter festige.

Die Vereinbarung zeige, „dass das klimapolitische Engagement des Bürgermeisters nur ein kurzes Gastspiel war“, sagte auch die grüne Landesvorsitzende Anja Hajduk. Noch vor wenigen Wochen wollte von Beust Hamburg zur „Hauptstadt des Klimaschutzes“ machen, nun setze er auf „Energiefossile“.

Würden alle in Norddeutschland geplanten neuen fossilen und regenerativen Kraftwerke tatsächlich gebaut, werde die Region im Jahr 2020 eine gigantische Überproduktion an Strom von 128 Prozent aufweisen: Es würde rund 2,3 Mal so viel Strom erzeugt wie verbraucht. Auf dieses Ergebnis einer Studie der Hamburger Arrhenius Consult GmbH und des Bremer Energie Instituts für den Zukunftsrat Hamburg wies dieser gestern erneut hin. Deshalb sei ein Kohlekraftwerk widersinnig. Stattdessen solle auch Vattenfall endlich in regenerative Energien investieren, forderte der Zukunftsrat.