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Archiv-Artikel

Immer mit der Ruhe!

WOCHENBETT Eine Geburt muss Frau erst mal verkraften. Mann auch. Ausruhen, sich auf die neue Situation einstellen und kuscheln mit dem Kind sind jetzt das Wichtigste. Alles andere kann auch mal acht Wochen lang warten – wenn man sich gut vorbereitet hat

Hebamme & Haushaltshilfe

■ Jede Mutter hat Anspruch auf Hebammenhilfe: 10 Tage nach der Geburt einmal täglich; 16 weitere Kontakte vom 11. Tag bis zur 8. Woche bei Komplikationen; 8 zusätzliche Termine bei Still- und Ernährungsproblemen. Wichtig: Schon in der Schwangerschaft verbindlich bei einer Hebamme anmelden! Wenn die Versicherte wegen Schwangerschaft oder Entbindung den Haushalt nicht weiterführen kann und einer anderen, im Haushalt lebenden Person dies ebenso nicht möglich ist, kann von der Krankenkasse eine Haushaltshilfe gewährt werden. Eine Haushaltshilfe wird oft auch schon vorab vom Arzt oder auch von der Hebamme verschrieben. Über Leistungen bitte vorher bei der Krankenkasse informieren. (jw)

VON JANET WEISHART

Nun liegt das Baby neben einem. Zeit, sich neu zu orientieren, auch wenn nach der Entbindung alles so schnell geht. Aus dem Paar wird eine Familie, und der Körper der Mutter verändert sich, manchmal auch die Psyche. Es ist die Zeit des Wochenbetts, die sich unmittelbar an die Geburt anschließt und rund acht Wochen dauert.

Damit diese Zeit eine schöne wird, in der sich die Mutter erholt, neue Kraft schöpft und ihr Baby kennen lernt, sollten sich Frauen bereits vorher mit dem Danach beschäftigen. Die Berliner Familienberaterin Susanne sensibilisiert werdende Mütter darum bereits im Geburtsvorbereitungskurs. „Das Wissen über Veränderungen des eigenen Körpers, der Paarbeziehung, ja des ganzen Lebens nach der Geburt dämpft die oft zu hohen Erwartungen an sich und die Umwelt. Anpassungsschwierigkeiten sind dann seltener“, weiß die zweifache Mutter und Kleinkindpädagogin. Schmerzen, Hormonchaos, Stillprobleme und Schlafmangel werden dadurch zwar nicht weniger – aber anders gewertet.

Bärbel Galeitzke, Hebamme, Kinderkrankenschwester und Gründerin des Geburtshauses Kreuzberg, betont: „Stress gehört nicht ins Wochenbett.“ Wie elementar der Leitsatz ist, untermauert eine Studie der Uni Osnabrück. Rund 70 Prozent der Mütter leiden in dieser Zeit demnach oft unter körperlicher Erschöpfung, Müdigkeit, Rückenschmerzen oder häufigen Kopfschmerzen. Eine gute Vorbereitung sei darum das A und O. Galeitzkes Tipp nach 37 Berufsjahren als Hebamme: „Schon während der Schwangerschaft sollte alles fürs Kind und für die Wochenbettzeit der Frau besorgt werden. Kleidung, Stillzubehör, Möbel zum Beispiel. Ein möglicher Urlaub oder freie Tage des Partners ab dem Zeitpunkt der Geburt sollten besprochen, ein Kinderarzt und vor allem eine Hebamme gesucht werden.“

Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine Hebamme ab Geburt zehn Tage lang, bei Bedarf länger. Was oft nur wenige gesetzlich versicherte Mütter wissen, sei, so Galeitzke, dass sie beispielsweise als Alleinerziehende oder bei Komplikationen nach der Geburt Anspruch auf eine professionelle Haushaltshilfe oder Familienpflegerin haben. Diese sei manchmal der Verwandtschaftshilfe vorzuziehen. Denn die Hebamme beobachtet oft, „dass Schwiegermütter und Mütter gern helfen, aber oft eben auch ihre eigenen, guten Ratschläge einbringen, was nicht immer die Harmonie fördert“. Mütter sollten die Prioritäten setzen, vor allem sich ausruhen, genießen und mit dem Baby ein Nickerchen machen.

Im Wochenbett treten Depressionen bei Müttern verstärkt auf – auch bei Vätern

Familienberaterin Mierau erlebt häufig Frauen, die zu schnell wieder „die Alte“ sein wollen. Dabei sind Ruhe und Pausen das Beste für eine schnelle Regeneration und eine gute Stillbeziehung zwischen Mutter und Kind. Nicht nur die zwei finden sich jetzt. „Ich betrachte stets das Gesamtsystem Familie“, so Mierau. „Wie geht es dem Vater? Hat er sich bei der Geburt als hilflos erlebt? Zieht er sich zurück?“ Paarbeziehung und Sexualität verändern sich nämlich auch. Postnatale Depressionen treten bei Müttern im Wochenbett verstärkt auf – auch bei Vätern. Mierau ist es darum wichtig, „dass Väter nach der Geburt nicht nur aufräumen oder putzen, sondern die Zeit mit der Familie genießen, ihr Baby wickeln oder baden dürfen“.

War es noch vor 100 Jahren so, dass die sogenannten Wöchnerinnen von „weisen Frauen“ mit kräftigem Essen, Kräutern und Rat umsorgt wurden, so hat sich der Brauch erheblich geändert. Heute bewirten Mütter Verwandte, Freunde und Nachbarn, die das Baby unbedingt sehen wollen. Mierau empfiehlt indes, Besuch wohl zu dosieren. Eine Möglichkeit ist auch, dass Freunde Essen mitbringen. Alternativ empfiehlt Galeitzke, Essen in der Schwangerschaft vorzukochen und einzufrieren oder einfach einen Lieferdienst in Anspruch zu nehmen. Für Stillende wie das Baby ist Kost ideal, die keine Blähungen verursacht. Verdauungsfördernd für die Mutter sind Müsli, Weizenkleie oder Joghurt.

Weil die Hormonumstellung im Wochenbett besonders Haut und Haare in Mitleidenschaft zieht, fühlen sich Mamas oft nicht so attraktiv. „Gönnt euch Gesichtsmasken, Massagen für den Bauch oder die Schultern“, empfiehlt Mierau. Mütter sollten zudem viel Wasser, Kräuter-, Still- oder Rückbildungstee trinken. Ingwer unterstützt die Gebärmutterkontraktion und wirkt entzündungshemmend. Hebamme Galeitzke wendet bei körperlichen Beschwerden in der Wochenbettzeit auch Homöopathika oder Akupunkturen an, zum Beispiel bei Milchstau. Die Heilung von Dammrissen können Sitzbäder oder Spülungen mit Eichenrinde oder Kamille unterstützen. Jede Hebamme hat da so ihr eigenes Repertoire. Eine leichte Wochenbettgymnastik ist frühestens nach einer Woche sinnvoll. Ein Rückbildungskurs kann nach rund acht, bei Kaiserschnitt zwölf Wochen nach der Geburt begonnen werden. Mamas sollten auch hier am besten auf ihren Bauch hören.