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KOMMENTAR: MARCO CARINI ÜBER HAMBURGS FEINFÜHLIGE SOZIALDEMOKRATENGeschmacklos und perfide

Hat wirklich keiner der 62 SPD-Abgeordneten bemerkt, wie zynisch dieser Antrag ist?

Was haben die sich bloß dabei gedacht? Dass die Hamburger SPD, stets am Puls der Zeit, auf die vor wenigen Tagen bekannt gewordenen Nazi-Morde mit einem Showantrag zur besseren Finanzierung eines bundesweiten Anti-Nazi-Programms glänzen will – geschenkt, so ist das Spiel des demokratischen Opportunismus. Dass sie aber das dafür benötigte Geld den Flüchtlingen, den erklärten Feindbildern und vielfachen Opfern der Neonazis nimmt, ist mehr als nur geschmacklos und perfide.

Gerade weil der SPD-Antrag vor allem ein Antrag ist, der ein Signal setzen soll, hätte seine Signalwirkung im Voraus bedacht werden müssen. Hat wirklich keiner der 62 SPD-Abgeordneten bemerkt, wie zynisch dieser Antrag ist? 62 Parlamentarier von allen guten Geistern verlassen?

Umverteilungspolitik war schon immer das ganz große Anliegen der Sozialdemokraten. Nur haben sie diesmal ihr Koordinatensystem vollständig verloren. Weniger feinfühlig als diese Hamburger SPD hat sich noch niemand dem Thema Flüchtlinge und rechte Gewalt genähert.

Eines der Argumente einer von Rechtsaußen initiierten Neiddebatte lautet: Für Flüchtlinge wird in Deutschland zu viel getan. Das zu verändern, ist Ziel der Neonazis. Dieses Ziel in Hamburg allein aufgrund ihrer Existenz und exekutiert von der SPD ein Stück weit erreicht zu haben, damit dürfen sich Neonazis seit Mittwoch zu Recht rühmen. Chapeau, Hamburger SPD!

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