: Strahlende Zwischenbilanz
ATOM Vor vier Jahren, am 11. März 2011, verwüstete ein Tsunami den Norden Japans und führte im Atomkraftwerk Fukushima zur Katastrophe. Inzwischen ist die akute Strahlenbelastung deutlich zurückgegangen. Aber alle anderen Probleme sind nach wie vor ungelöst
VON BERNHARD PÖTTER (RECHERCHE), PASCAL SOBOTTA UND STEFANIE WEBER (GRAFIK)
Die Behörden in der Provinz Fukushima haben Sinn für Tradition: Ausgerechnet am 11. März, dem Jahrestag der Katastrophe am AKW Fukushima Daiichi, planen sie in diesem Jahr die Eröffnung eines riesigen Zwischenlagers für atomare Abfälle. Zwischen den Orten Futaba und Okuma in der Nähe der Atomruine soll nach Berichten japanischer Medien das 16 Quadratkilometer große Gelände den Strahlenschrott aus den havarierten Reaktoren ebenso aufnehmen wie das verstrahlte Erdreich, das in der Provinz weiträumig abgetragen wird. Bisher lagern Tausende von schwarzen Plastiksäcken mit dem strahlenden Rückständen an etwa 75.000 Orten in der Provinz. Im Zwischenlager sollen sie erst einmal für 30 Jahre bleiben. Wo und wie der Müll danach gelagert werden soll, weiß niemand. Für den Bau des Zwischenlagers hat das Parlament etwa 645 Millionen Dollar freigegeben. Die Gesamtkosten für die Aufräumarbeiten, die nach UN-Angaben 40 Jahre dauern könnten, werden auf 250 bis 500 Milliarden Dollar geschätzt.
Die gute Nachricht: Vier Jahre nach dem GAU ist die direkte Belastung der Menschen und der Umwelt deutlich gesunken, wie die offiziellen Messdaten zeigen. Bei Reis, Milch und den Reihenuntersuchungen von Kindern und Erwachsenen sind die Werte weit unter die Alarmgrenzen gesunken.
Die Daten zeigen aber auch, dass viele Probleme sich nicht von allein erledigen: Wildfleisch ist hoch belastet. Die Zahl der Menschen, die ihre Heimat verloren haben und teilweise in Notunterkünften leben, hat sich auch nach vier Jahren kaum verringert. Einsamkeit, Heimweh und Angst dieser Menschen sind groß.
Die täglichen Arbeiten zur Eindämmung der Katastrophe auf dem AKW-Gelände sind mühsam und gehen nur langsam voran. Jeden Tag fallen 700 Kubikmeter hochradioaktiven Wassers an, das zur Kühlung der geschmolzenen Reaktorkerne genutzt wird und verstrahlt wieder austritt. Und völlig ungelöst ist nach wie vor die Frage, was mit den drei geschmolzenen und havarierten Reaktorkernen geschehen soll, die in den leckgeschlagenen Druckbehältern vor sich hin strahlen.
Solange das so bleibt, wird es wohl immer wieder zu Zwischenfällen kommen. Erst vor kurzem gab die Betreiberfirma Tepco zu, man habe fast ein Jahr lang verschwiegen, dass im April 2014 radioaktives Wasser aus den Reaktoren unbemerkt ins Meer geflossen war. Die Konsequenz: Tepco will in Zukunft bei Problemen schneller die Öffentlichkeit informieren. Vier Jahre nach dem GAU.