piwik no script img

Archiv-Artikel

Drachen sind nicht zu stoppen

Zwei Provinzteams sind das Beste, was der deutsche Basketball zurzeit zu bieten hat: Die diesjährige Meisterschaft trotzte Bamberg den Dragons aus Quakenbrück ab. Jetzt trafen sich beide wieder

AUS QUAKENBRÜCK ULRICH BERNSTORF

Samstagabend in Quakenbrück. Eine ganze Stadt fiebert dem Spitzenspiel im deutschen Basketball entgegen. Brisanter könnte die Konstellation kaum sein: Hier in der Artland Arena feierten die Brose Baskets aus Bamberg vor fünf Monaten die Deutsche Meisterschaft. Sie stoppten damit den geradezu märchenhaften Siegeszug der Artland Dragons. Nun aber liegen die beiden Teams gleichauf an der Spitze – und die Artländer brennen auf die Revanche.

Eine Stunde vor Spielbeginn haben die angereisten Bamberger Fans vor der Halle aber noch die akustische Oberhand. Mitgebracht haben sie ein Lied, das sie ihren Gegnern gerne mit Gitarrenbegleitung via Megafon darbieten: „Ganz Quakenbrück ist aufgebracht, das Kaff im hohen Norden – zu Recht, denn schließlich sind ja wir deutscher Meister geworden. Die Brose Baskets war’n zu stark, Quak Quak Quak.“ Die Quakenbrücker nehmen’s gelassen: Atmosphärisch werden sie der Bamberger Mannschaft die Hölle bereiten, so viel ist sicher.

„Wir wissen, das es für die noch mehr als für alle anderen das Spiel des Jahres ist“, hatte Bambergs Assistenztrainer Volker Stix vorab gesagt. Für manchen ist die heutige Revanche wohl auch die Feuertaufe in neuer Umgebung. Meister Brose Baskets musste nach dem Gewinn der Meisterschaft Casey Jakobsen nach Memphis in die NBA ziehen lassen. Bamberg verpflichtete routinierte Akteure, die Trainer Dirk Bauermann aus der Nationalmannschaft kennt. Bei den Dragons verließen gleich vier Leistungsträger das Team. Chris Flemming, im achten Jahr Headcoach, musste eine neue Formation um seine Säulen Darius Hall und Lamont McIntosh finden. Adam Chubb zum Beispiel, den man der Ligakonkurrenz abspenstig machen konnte. Oder Terrance Thomas, der aus Texas kam.

Vor dem Anwurf wendet sich Geschäftsführer Marko Beens an das Publikum: Das letzte Heimspiel stand wegen eines Feuerzeugwurfs auf den Schiedsrichter vor dem Abbruch, das soll sich nicht wiederholen. Dann geht es los und, kaum überraschend, die Brose-Spieler werden bei jedem Ballbesitz gnadenlos ausgepfiffen. Rasch wird deutlich, was die Stärke der beiden Teams ausmacht: eine zupackende Verteidigung. Zunächst kommt kaum ein Angriff durch. Dann kommt die Klasse des Meisters in der Offensive langsam zur Geltung. Blitzartige Kombinationen vor dem Quakenbrücker Korb finden immer wieder einen freien Mann. Die Dragons dagegen versuchen es mit Einzelaktionen, die häufig scheitern – am Ende des ersten Viertels liegt Flemmings Mannschaft sieben Punkte zurück.

Und so scheint es zunächst weiterzugehen. Kompakter steht jetzt das Artländer Bollwerk, aber unter des Gegners Korb werden noch immer zu viele Chancen ausgelassen. Im dritten Durchgang trifft der Meister wieder besser, baut die Führung aus. Jetzt ist es Darius Hall, der gewaltige Center der Artland Dragons, der seine Mannschaft im Spiel hält. Er leistet Schwerstarbeit unter dem eigenen Korb und macht die wichtigen Punkte, die das Team wieder heranbringen, bis auf einen Punkt. Nun ist es ein echtes Spitzenspiel, Tempo und Niveau sind hoch. Sekunden vor dem Ende des dritten Viertels schaffen die Dragons dann den Ausgleich zum 57 : 57.

Das Publikum springt auf, als die Heimmannschaft das erste Mal in Führung geht. Jeder Rebound wird jetzt gefeiert, die Halle tobt. Aber noch sind die Bamberger nicht geschlagen. 54 Sekunden vor dem Ende haben sie drei Zähler Rückstand und nehmen eine Auszeit – die erste von vieren in dieser letzten, nicht endenden Spielminute. Auch die Quakenbrücker lassen das Spiel jetzt nach jeder Aktion anhalten, agieren mit taktischen Fouls, um den knappen Vorsprung über die Zeit zu bringen. Und das gelingt ihnen am Ende: 73 : 69 – die Revanche ist geglückt, das Artland im Freudentaumel.

„Das Spiel hätte zwei Sieger verdient“, sagt danach Bambergs Coach Dirk Bauermann und macht seiner Mannschaft keinen Vorwurf. Eher verweist er auf die fanatische Unterstützung und den Glauben der heimischen Fans, die ihre Mannschaft heute zum Sieg getragen haben. Chris Flemming hat dem nicht viel hinzuzufügen. Außer vielleicht, dass es noch eine Menge zu verbessern gebe. So denken sie halt hier im Artland, wo die Bäume nicht in den Himmel wachsen.