: „Alltägliche Groteske“
JUNGE LITERATUR Jonis Hartmann liest im Literaturhaus aus seinen bizarren Kurzgeschichten
■ 32, Architekt und seit dem Jahr 2013 freier Autor, erhielt 2014 einen der Literaturförderpreise der Stadt Hamburg.
taz: Herr Hartmann, warum schreiben Sie? Sie sind doch Architekt!
Jonis Hartmann: Das Erschaffen von Architektur und Literatur sind ähnliche Vorgänge. Literatur erlaubt aber einen direkteren Zugriff. Denn bei der Architektur sind mehrere Menschen im Spiel und bis ein Gebäude steht, dauert es Jahre. Beim Schreiben habe ich alles in der Hand, jeder Satz ist von mir und wird so bleiben. Außerdem ist Architektur ein sehr am Gebrauch orientiertes Artefakt und das freie fiktionale Schreiben nicht. Deshalb hüte ich mich, für irgendjemand zu schreiben, und „Mondo Kranko“ ist so ein Buch.
Wovon handelt es denn?
Es ist eine Sammlung von 45 Kurzgeschichten, die versuchen, ein Ganzes zu bilden. Vorbild war die italienische Doku-Serie „Mondo Cane“ – Hundewelt, Hundeleben – mit vielen kurzen sensationslüsternen Beiträgen. Um die Sensation geht es in meinem Buch nicht, wohl aber um das Potpourri aus Episoden, die zusammen die Welt mit ihren Komplexitäten und Bizarrheiten abbilden. Ich wollte eine fiktionale Dokumentation der alltäglichen Präsenz des Grotesken.
Sie schreiben von im Wasser versenkten Straßenbahnen und turmhohen Mohnblumen – nicht gerade alltägliche Phänomene.
Aber in vielen Köpfen passiert so etwas: Man fährt Straßenbahn und denkt: Kann die nicht versenkt werden? Und was ist Landgewinn, woher kommt eigentlich die Erde dafür? Und Mohnblumen – die sind wirklich ziemlich groß und können sehr viel!
Ihr Verlag schreibt, Sie setzten die Geschichten zu einer „Kosmogonie“ zusammen. Wollen Sie am Ende die Welt erklären?
Nein. Ich will nicht die Realität nachzeichnen, wie sie ist, sondern sie ein zweites Mal erschaffen – mit möglichst vielen Versatzstücken. Deshalb ist „Mondo Kranko“ die Geburt einer neuen Welt, in der vieles möglich ist.
Was zum Beispiel?
Viele Protagonisten erleben unglaubliche Zufälle, die sie aus der Lethargie der materiellen Welt herausreißen. Und viele dieser Zufälle sind so irreal, als wären sie von etwas Äußerem gesteuert.
Viele würden sagen: Ich habe Glück gehabt.
Ja, aber vielleicht ist es mehr und viele meiner Geschichten handeln von solchen Momenten, ohne dass Worte wie „Glück“, „Religion“ oder „Esoterik“ fallen. Ich finde, Literatur sollte solche vorgekauten Deutungen vermeiden. INTERVIEW: PS
19. 30 Uhr, Literaturzentrum/Literaturhaus, Schwanenwik 38