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Archiv-Artikel

„Grüne denken nur in Kompromissen“

GRÜNE Wegen Unklarheiten bei der Endlagersuche sind Aktivisten der Anti-AKW-Bewegung verärgert über Winfried Kretschmann

BERLIN taz | Haben Anti-Castor-Proteste „keinen Sinn mehr“? Das behauptet Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, in der aktuellen Ausgabe der Zeit. Schließlich sei der Atomausstieg beschlossene Sache – und damit die Endlagerfrage auf dem Tisch. Die „Altoppositionspartei die Grünen“, kontert Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, „denkt nur noch in Kompromissen. Wir können das nicht fassen.“

Der erste grüne Ministerpräsident der Bundesrepublik hat die Brisanz dieser Kritik offenbar verstanden – und rudert bereits zurück. Der Schwäbischen Zeitung sagte er, er halte den Protest für „enorm wichtig“. Grünenchefin Claudia Roth sprang ihrem Parteifreund am Rande des Parteitages in Kiel bei: „Wenn jemand weiß, wie wichtig das Recht auf Protest ist, dann ist es Winfried Kretschmann.“

Doch nicht nur die unklare Haltung zum Protest verärgert viele Aktivisten im Wendland. „Dass die Grünen Gorleben nicht konsequent für eine neue Endlagersuche ausschließen, ist unfassbar“, so Ehmke. Die Grünen halten dagegen: „Unsere Position zu Gorleben ist klar. Der Standort ist politisch verbrannt“, versuchte Claudia Roth die Fronten zu klären. „Politisch verbrannt, geologisch ungeeignet“ – mit diesen Worten positionierte sich im Juni auch die Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in ihrem Beschluss zur Endlagersuche.

Dennoch: Gorleben wird nicht explizit von der „ergebnisoffenen bundesweiten Endlagersuche“ ausgeschlossen. „Dieser Formelkompromiss ist das Werk Kretschmanns“, schimpft Ehmke. Dass der Gescholtene Gorleben nicht explizit ausschließt, begründet er damit, dass er den Kompromiss nicht gefährden wolle. Dieser wurde am 11. November zwischen Umweltminister Norbert Röttgen und den Landesregierungen geschlossen. Er besagt, dass die Endlagersuche mit einer „weiße Landkarte“ von Neuem beginnt. Ehmke indes behauptet, dass Kretschmann Baden-Württemberg „nicht auf dem Silbertablett für einen neuen Standort anbieten“ wolle. Deshalb hoffe er auf Gorleben.

Die Grünen konnten die Verwirrung bisher nicht auflösen. Trotzdem versuchten sie, deutlich zu machen, dass sie den Protest gut finden: „Ich werde am Sonntag auch wieder hinfahren“, kündigte Roth an. Ob sie willkommen sein wird? TIMO REUTER