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Archiv-Artikel

Hol das Brennholz aus dem Wald

Pupkulies & Rebecca haben im südfranzösischen Musikerdorf Bardou das Knistern des Feuers aufgenommen und in Berlin leichtfüßige Rhythmen dazu programmiert. So landen Freak Folk und Nouvelle Chanson auf dem Tanzboden

VON THOMAS WINKLER

Die Digitalisierung hebt die Trennung zwischen Leben und Arbeiten zusehends auf. Nirgendwo ist dieser Prozess so weit gediehen wie bei der Produktion von Musik. Und es dürfte nicht allzu viele Orte geben, an denen das so sichtbar wird wie im Wohnzimmer von Rebecca Gropp und Janosch Blaul. Von der Sitzecke aus kann man Tee schlürfend einen Blick in den grauen Himmel über Friedrichshain werfen. Im Rücken hat man dann das Heimstudio: Zwei Tische mit Mischpult, Sampler und Rechner. Mehr braucht es heutzutage nicht, um Musik zu machen. Dass auf der anderen Seite des Zimmers, auf der Matratze für Gäste, eine Konzertgitarre liegt, schließt den Kreis: Als Pupkulies & Rebecca verknüpfen Blaul und Gropp virtuos elektronische mit akustischen Klängen.

Die Arbeit am neuen, zweiten Album des Duos, „Beyond The Cage“, begann allerdings nicht hier, sondern in Südfrankreich. Das Heimstudio wurde in einen Kleinbus verladen und an den Rand des Zentralmassivs kutschiert. Im Musikerdorf Bardou quartierte man sich in einer Hütte ein, schlug eigenhändig Brennholz im Wald und nahm anschließend das Knistern des Feuers oder den prasselnden Regen auf. Die Hälfte der Stücke entstand dort, manches Geräusch fand seinen Weg auf die Platte, und vor allem ist alles „ruhiger und akustischer“ geworden. Denn auf „The Way We“, dem Debüt von 2006, war das aus Würzburg stammende Paar noch weit technoider. Elektrotechnikstudent Blaul, der sonst mit Aljoscha Tillmann Schohe als Strassmann Minimal House fertigt, hatte die Tracks weitgehend allein programmiert, Gropp dann die Texte geschrieben und gesungen. „The Way We“ gefiel, wie man unlängst erfuhr, wohl einem gewissen Sven Väth ausgesprochen gut.

Diesmal, meint die als Physiotherapeutin arbeitende Gropp, war „der Entstehungsprozess viel gleichberechtigter“. Das, so Blaul, „aus unserer Beziehung entstandene“ Ergebnis ist bestimmt von reduzierten, sanft pluckernden, aber auch hypnotisch rotierenden Rhythmen, leichtfüßigen Soundspielereien und akustischen Instrumenten, die Gropp mit zerbrechlicher, berückender Stimme in drei Sprachen verziert. In „Some Gin“ klingt ihr schnippisches Englisch fast ein wenig wie Kate Nash; nur einen Song später stellt sie in „Madeleine“ auf Französisch die gelangweilte Verführungskunst einer Carla Bruni nach. Und „Der Streicher“ schließlich erinnert an das gute alte deutsche Kunstlied.

So werden spinnerter Freak Folk auf den Tanzboden gezerrt und Liedermacher-Klischees mit Techno-Strukturen kontrastiert. Die besondere personelle Konstellation, seit sechs Jahren ein Liebespaar zu sein, war dabei bislang kein Problem. „Ich hatte ursprünglich schon Bedenken“, erzählt Blaul beim Tee, „denn die Musik war doch eigentlich mein Ding. Aber es hat von Anfang an gut funktioniert, wir hatten noch nie wirklich Krach. Es hat unserer Beziehung sogar gutgetan.“ Dazu merkt Gropp an, dass „die klare Arbeitsaufteilung es einfacher macht“. Die Rollenzuweisung erinnert nicht ganz zufällig an TripHop, jenes Genre, das Anfang der Neunzigerjahre die seitdem weitgehend überwundene Rollenverteilung zwischen weiblicher Stimme und männlichem Soundbastler einführte. Musikalisch ist damit allerdings nur eine Facette von Pupkulies & Rebecca beschrieben; auch für die zwischenzeitlich mal beliebte Schublade Indietronics sind die beiden zu wenig rockistisch veranlagt. Man sucht überraschenderweise vergeblich nach schlüssigen Vorbildern in der Popgeschichte für diesen Sound, der ebenso gern Berliner Electronica-Traditionen zitiert wie immer wieder den französischen Nouvelle Chanson.

Trotz dieser sich widersprechenden Genres wirkt „Beyond The Cage“ wie aus einem Guss. Der Grund könnte sein, dass das gesamte Album einen kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden hat: „Sitz-Musik im positiven Sinne, Musik zum Wegtreiben“, so Blaul. Und Gropp erzählt, wie ihre Musik im Sommer beim Neustrelitzer Fusion Festival kurz vor Sonnenaufgang ebenso gut funktioniert hat wie beim Hoffest in der Pfalz an einem Nachmittag vor eher älterem Publikum oder bei den zwei Auftritten für ein angesagtes italienisches Mode-Label. „Wir sind nichts für Musiknerds, wir sind in keiner Szene verankert, wir müssen kein Image bedienen“, sagt Blaul, „wir funktionieren für alle Altersgruppen“. Es passt eben halt doch allerhand in ein einziges Wohnzimmer.

Pupkulies & Rebecca: „Beyond The Cage“ (Normoton/ Alive)