LESERINNENBRIEFE
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Spannend und schön

■ betr.: „Neulich in der Tussy Lounge“, taz vom 7. 3. 15

Beim erwartungsvollen Aufschlagen der Frauentaz ist mir die Lese- (und Lebens-)lust schon nach den ersten drei Sätzen vergangen.

Was ist denn so schlimm an Frauen, die Zeit für ihr Baby haben, Zeit für ihre Freundinnen und Zeit für sich selbst (Latte macchiato)? Das ist doch Luxus vom Feinsten, besser als so mancher Wellness-Urlaub! Auf Bürgersteigen weiche ich jedenfalls lieber drei Buggy fahrenden Müttern mit Latte macchiato aus als fünf gackernden Hen-Party-Frauen mit Bollerwagen oder sieben Fußballfans mit Bierflasche.

Ist denn die Vorstellung von zehn Frauen vor Bildschirmen im Großraumbüro und – zeitgleich – zehn Babys auf Pöttchen in der Kita so viel überzeugender?

Wann traut ihr euch, öffentlich zu sagen, dass es spannend und schön ist, Kinder zu haben? Die reizvollen Väter-Reportagen in der taz haben es offensichtlich nicht geschafft, das zu vermitteln. Schade! CHRISTINE KIMMICH, Leer-Loga

„Trojaner im Staatsdienst“

■ betr.: „Kritische Beamte stillgelegt“, taz vom 9. 3. 15

Die Ausplünderung des Staates durch die „Trojaner im Staatsdienst“ nimmt immer vielfältigere Formen an. Jetzt also, bei dem an sich wünschenswerten Ausstieg aus der Atomenergie, eine Gesetzgebung mit bewusst eingebauten Schadenersatz-Geschenken für die Betreiber – sie müssen nur noch zugreifen.

Die Sache hat Methode, an Beispielen mangelt es nicht: In zahlreichen Ministerien dürfen die Lobbyisten als Mitarbeiter auf Zeit (sie sind ja nur an bestimmten Themen interessiert) direkt an den Gesetzesvorlagen herumschreiben. Kein Wunder, dass dann in die Steuergesetzgebung jene Lücken, die Großkonzernen eine extreme Steuervermeidung erlauben, zielgerichtet eingefügt werden. Wenn das nicht ausreicht, werden – geschehen zum Beispiel im Wiesbadener „Archipel Gulag“ – aufrechte Steuerfahnder mit falschen psychologischen Gutachten in die Dienstunfähigkeit abgeschoben. Man betreibt internationale Abkommen wie Ceta und TTIP, um am Staat vorbei eine Paralleljustiz aufzubauen, in der sich die Nutznießer der Ausplünderung ungestört selbst verwalten können. Seit Jahren werden die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender systematisch ökonomisch wie inhaltlich ausgebremst und zurückgefahren, damit die privaten Meister der Volksverdummung nicht ins Hintertreffen geraten. Die gesamte Privatisierungsorgie auf nahezu allen Feldern der Vorsorge und Infrastruktur dient nur privater Gewinnmaximierung auf Kosten der Steuer zahlenden Allgemeinheit.

Vor einem knappen Jahr wurde in Rheinland-Pfalz ein ehemaliger Minister wegen Untreue verurteilt, obwohl ihm weder Selbstbereicherung noch die Begünstigung irgendwelcher „amigos“ vorgeworfen wurde. Wenn also der Unterschied zwischen Unfähigkeit und Absicht juristisch für den Tatbestand keine Rolle spielt, müsste derart massenhaft Polit-Prominenz aus Exekutive und Legislative, die ihre Tätigkeit offenbar häufig als Probezeit für spätere lukrative Wirtschaftsjobs betrachtet, vor Gericht landen, dass die Medien gar nicht über alle Prozesse differenziert berichten könnten. Aber was geschieht? Wo wird je eine Staatsanwaltschaft aufgrund eines Rechnungshofsberichts aktiv? Sind wir überhaupt noch ein Rechtsstaat? ROLF OESTERLEIN, Nieder-Olm

Braver Attentäter

■ betr.: „Schnelle Fahndungserfolge im Mordfall Boris Nemzow“, taz vom 9. 3. 15

Der im TV präsentierte Tschetschene (natürlich – dieses Volk hat ja ein Sündenbock-Dauerabonnement) wirkte so „vorbehandelt“, dass er wohl den Kennedy-Mord auch noch zugegeben hätte. Und bevor er weggezerrt wurde, konnte er gerade noch irgendwas von „Mohammed“ lallen – ein braver Attentäter ist heute Islamist, so gehört sich das. Das einzige in dieser Sache glaubhafte Geständnis wäre eins von Wladimir Putin persönlich. ERNST SOLDAN, Norderstedt