: Die längste Reise
CASTOR Atomkraftgegner verzögern den Transport mit massiven Blockaden
AUS DANNENBERG MARTIN KAUL
Mit zahlreichen Aktionen haben Atomkraftgegner den Castortransport nach Gorleben am Wochenende massiv verzögert. Der am Mittwoch in Frankreich gestartete Zug mit elf Behältern hochradioaktiven Atommülls hatte auch am Sonntagabend sein Ziel im niedersächsischen Gorleben noch nicht erreicht. Damit ist der diesjährige Castortransport bereits vor seinem Eintreffen mit über 100 Reisestunden der längste Castortransport in der deutschen Geschichte.
Mit rund 23.000 Teilnehmern waren weniger Menschen bei der zentralen Großkundgebung am Samstag in Dannenberg als 2010. Gleichzeitig nahmen die Blockade- und Störaktionen im Vergleich zu den Vorjahren an Schärfe zu. Atomkraftgegner halten die diesjährigen Proteste daher für einen Erfolg. Die Sprecherin der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, Kerstin Rudek, sagte der taz: „Es war ein prächtigerer Protest, als wir es nach dem Rekord aus dem letzten Jahr erwartet hatten. Und wir waren schon sehr optimistisch.“
In Harlingen besetzten am Samstag bis zu 4.000 Menschen über 17 Stunden friedlich ein Schienenstück. Nach Auflösung der Blockade nahm die Polizei vorübergehend bis zu 1.200 Personen in Gewahrsam. Bei Hitzacker hatten Bauern für stundenlange Verzögerungen gesorgt, nachdem sie ihre Arme in einer „Blockadepyramide“ in Stahlrohren durch extra gehärteten Beton aneinandergekettet hatten. In der Nähe von Lüneburg und in Vasdorf hatten sich weitere Aktivisten an die Gleise gekettet. Nahe des Zwischenlagers Gorleben hatten Hunderte am Sonntagmittag eine große Sitzblockade errichtet.
Über das gesamte Wochenende hatten Unbekannte zuvor immer wieder teils massive Materialblockaden im gesamten Wendland errichtet. Auf zahlreichen Zufahrtsstraßen und Kreuzungen rund um Dannenberg kam es zu Blockaden mit Autos und Landmaschinen, aber auch zu Abschüttungen von Schotter, Erdmassen und Kartoffeln. Teils brannten Heuballen und Barrikaden. Mit ihren Protesten wollen die Atomkraftgegner den Preis für Atommülltransport und ungelöste Endlagerfrage in die Höhe treiben.
Auch autonome Kleingruppen hatten wiederholt mit Zwillen, teils auch mit Steinen und Molotowcocktails Einsatzkräfte der Polizei attackiert und zahlreiche Barrikaden errichtet. Ein Sprecher der Polizei Lüneburg sagte der taz, es seine „eine besondere Situation, dass sich die heftigen Konfrontationen mit gewaltbereiten Kleingruppen in diesem Jahr über mehrere Tage hingezogen haben“.
Die Polizei setzte mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray ebenfalls auf Härte. Zahlreiche Politiker kritisierten die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes. Auch Journalisten waren von Übergriffen und Behinderungen durch die Polizei betroffen. Einem akkreditierten japanischen Kamerateam wurde der Zugang zu einer Blockade verweigert. Ein Fotograf wurde von einem Beamten mit erhobenem Schlagstock verfolgt, getreten und mit Pfefferspray attackiert. Einem anderen Fotografen schlug ein Beamter mit dem Visier eines Polizeihelms ins Gesicht. Bei einem Fotografen der Bildagentur attenzione, der für die taz im Einsatz war, wurde die Schutzausrüstung beschlagnahmt, bei einem taz-Redakteur das Auto durchsucht. Selbst bei Routinekontrollen wurden die Personalien von Journalisten festgestellt. Journalistenverbände kritisierten die Behinderung. Mitarbeit: Sebastian Fischer, Teresa Havlicek, Reimar Paul