piwik no script img

Archiv-Artikel

Des brutalen Kaisers Soldaten

Das Hamburger Museum für Völkerkunde zeigt acht Figuren der legendären Terrakotta-Armee des Shi Huangdi. Die waren gar nicht leicht zu bekommen

Seine Untertanen müssen ihn sehr gehasst haben: Nur Trümmer haben sie übrig gelassen von den 7.000 Terrakotta-Soldaten, die sich Shi Huangdi, der brutale erste Kaiser von China, einst ins Grab gestellt hatte. Eine Sisyphusaufgabe, die wieder zusammenzusetzen; Fotos der Grabungen belegen es. Bei 3.000 der 1974 gefundenen Figuren ist sie indes gelungen: Kaum sichtbar sind die ehemaligen Sollbruchstellen jener acht Figuren, die ab Sonntag im Hamburger Museum für Völkerkunde präsentiert werden.

Eindrucksvoll ist die Begegnung mit den lebensgroßen Offizieren, Wagenlenkern und Fußsoldaten, die ab 246 v. Chr. entstanden, zweifellos: Bis ins Detail originalgetreu ist die Uniform gestaltet, individuell jedes einzelne Gesicht. Einst waren sie zudem aufs Perfekteste bewaffnet. Ergänzt wird die Hamburger Schau um weniger spektakuläre Grabbeigaben – feinste Pfeile und rituelle Gefäße, die als Glück bringende Tiger mit Drachenkopf daherkommen.

Am wichtigsten war den Kuratoren der Ausstellung aber ein Event im halb verdunkelten Nebenraum: Aus 120 nachgebauten Figuren hat man dort eine Armee gebildet, die von einer Tribüne aus zu besichtigen ist. Das trägt zur Plastizität der Schau durchaus bei und wäre nicht monierenswert, hätte man sie nicht um einen Soundtrack ergänzt, auf dem ein Sprecher im heroisierenden Duktus einer Wochenschau vom „grausamen Regime“ des Kaisers und dessen Feldherrntaktik erzählt. Zwar erwähnt der Text durchaus die Fronarbeit der Bauern, die zahlreichen getöteten Intellektuellen und Widerspenstigen. Trotzdem wirkt das von einem Sprecher des mitteldeutschen Rundfunks vertonte Band eine Spur zu markig und effekthascherisch, als dass man es etwa Grundschülern zumuten sollte.

Immerhin handelt es sich hier um die Geschichte eines skrupellosen, schwer paranoiden Menschen, der niedermetzelte, was ihm in den Weg trat. Shi Huangdi hatte eine bestialische Angst vor dem Sterben und gab bereits als 13-Jähriger die Terracotta-Armee in Auftrag, mit der er ganz konkret aufzuerstehen gedachte. Da ist eine Ton-Show mit Pferdewiehern und dem Getrappel marschierender Soldaten wie in einem dekorativen Historienfilm fehl am Platz.

Ein bisschen wirkt die Ausstellung, deren Wandtexte offensiv an die „Heldentaten“ des Kaisers erinnern, zudem wie eine Werbekampagne für die vergangenen Helden Chinas. Dass Shi Huang die sieben damals konkurrierenden Einzelstaaten zum großchinesischen Reich einte, dass er den Tauschhandel durch Münzen ersetzte, eine einheitliche Schriftssprache einführte und die Verwaltung reformierte: All dies prangt in großen Lettern an den Wänden des Hamburger Museums und wird auch vom Kuratoren so gern betont, dass die Grausamkeit des Herrschers leicht aus dem Blick gerät.

Das liegt vermutlich im Interesse der chinesischen Regierung, ohne die die Ausstellung schließlich nicht zustande gekommen wäre. Ein kleines Machtspiel hatte es indes schon im Vorfeld gegeben: Denn die Exponate erreichten Hamburg – entgegen den Absprachen – mit sechswöchiger Verspätung. Offiziell sprach man von außerplanmäßigen Feiertagen, die die Lieferung verzögerten.

Der wahre Grund war vermutlich der Besuch des Dalai Lama in Hamburg, der den chinesischen Granden missfiel. Auch dass die Provinz Shannxi – mit Weisung aus Peking oder ohne – Flagge zeigen wollte, kommt in Betracht. Überdies war im Museum für Völkerkunde vor wenigen Wochen die uigurische Schriftstellerin Rebiya Kadeer, eine von Chinas Staatsfeinden, zu Gast gewesen. Da wollte man den Hamburgern wohl eine kleine Lektion erteilen.

Dass China am Image der Kulturnation trotzdem interessiert ist, zeigt die nun doch zustande gekommene Schau. Ob sich die so kritisch wie nötig geriert, steht dahin. Vielleicht illustriert sie letztlich das immer noch existente Großmacht-Bewusstsein Chinas. Und was die Brutalität der Herrschenden betrifft, ist China seiner Tradition bis vor wenigen Jahren durchaus treu geblieben. PETRA SCHELLEN

25. 11. 2007 – 30. 9. 2008, Museum für Völkerkunde, Hamburg