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Archiv-Artikel

Paula hebt ab

Georg „Lindenstraße“ Uecker wirft einen Stein ins Wasser: Der Bremer Flughafen soll nach Paula Modersohn-Becker benannt werden. Er wäre Deutschlands erster nach einer Frau benannter Airport und weltweit der einzige, der eine Künstlerin ehrt. Vor Ort wird das noch nicht so recht gewürdigt

Von Henning Bleyl

Die „Lindenstraße“ ist ein kaum zu unterschätzender gesellschaftlicher Seismograph: Lange vor Anne Will hat sie die Vielfalt sexueller Präferenzen alltäglich gemacht. Jetzt setzt Georg Uecker, der schwule TV-Arzt, sogar außerhalb seiner Rolle ein Signal, das die Republik und umzu verändern könnte: Bremen soll einen „Paula Modersohn-Becker Flughafen“ bekommen. Vielleicht auch einen „Paula-Airport“. In jedem Fall wäre es der weltweit erste Flughafen, der nach einer Künstlerin benannt ist. Und in ganz Deutschland der einzige, der den Namen einer Frau trägt.

Ueckers Vorschlag, in Form eines fiktiven Briefes an die „Liebe Paula“ formuliert und begeistert unterstützt von Bremens Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath, würde noch ein anderes Vakuum füllen: Die vor hundert Jahren gestorbene Malerin ist namenstechnisch bislang bemerkenswert kurz gekommen. Kein Kunstpreis heißt nach der Wegbereiterin der Moderne. In ihrer Heimatstadt Bremen hat sie es erst kürzlich auf einen kleinen, geländerlosen Steg hinter der Kunsthalle gebracht, während Ortschaften wie Unna und Euskirchen immerhin über entsprechende Straßen verfügen. Und seit die Bahn ihre Züge nur noch nach Städten benennt, hat auch der „ICE Paula Modersohn-Becker“ ausgerollt. Da setzt Ueckers Initiative völlig neue Maßstäbe – zu Recht.

Immerhin ernennt die FAZ Modersohn-Becker anlässlich der derzeit laufenden Ausstellungen in Bremen auf ihrer Titelseite zu „Deutschlands Picasso“, und der hat ja, in Málaga, auch einen Flughafen. Salzburg verfügt über den Mozart-Airport, Parma über einen „Aeroporto Verdi“, in Rom kann man bei da Vinci landen und die Warschauer sind stolz auf ihren „Port Lotniczy im. Fryderyka Chopina“. Warum also soll, was für einen Pianisten billig ist, für „unsere Paula“ nicht recht sein?

Uecker hat sogar recherchiert, ob die Künstlerin Chancen auf ein IATA-Kürzel hätte – die Buchstabenkombinationen der „International Air Transport Association“ sind die entscheidenden Chiffren im Flugverkehr. Aber, leider: „PMB“ ist schon für den Airport Pembina im US-Bundesstaat North Dakota in Gebrauch. Uecker, allseits versiert, besann sich daraufhin des alten Disputs, ob man statt „Modersohn-Becker“ nicht eigentlich „Becker-Modersohn“ schreiben müsse, damit der Mädchenname der Künstlerin nicht von dem des Ehegatten dominiert werde (die Betroffene selbst hat übrigens beide Versionen verwendet). Doch auch die feministisch inspirierte Variante PBM ist durch den Flughafen der surinamischen Hauptstadt Paramabiro besetzt.

Nun ist Bremens Flughafen nicht irgendein Rollfeld, sondern historisch gesehen Deutschlands erster Verkehrsflughafen, und dank der Billigfliegerei hat er in Sachen Passagiere gerade die zwei Millionen-Marke geknackt. Bei der Flughafen GmbH stoßen Ueckers Mühen bislang auf wenig Gegenliebe. „Natürlich kann man über alles nachdenken“, sagt deren Sprecher Siegfried Spörer. Aber vorher solle man doch bitte mit ihnen reden: „Wenn ich Herrn Herzogenraths Kunsthalle umbenennen möchte, rufe ich ihn ja auch vorher mal an.“

Im lokalen Klein-Klein spielen möglicherweise verloren gegangene Briefe und daraus resultierende Missverständnisse ebenso eine Rolle wie die Überlegung, dass so ein Flughafenname irgendwann gewinnträchtig verkauft werden könnte. Bei Bremens Image-Verantwortlichen stößt die noch weithin unbekannte Initiative ohnehin auf ein geteiltes Echo. Chef-Touristiker Peter Siemering hält das Ganze spontan für „eine witzige Marketingidee“, bei der noch „sehr viel zu bedenken“ sei. Der Bremer Marketing Gesellschaft ist der Name zu kompliziert, „außerdem sollten wir Paula nicht auf das Niveau von Franz-Josef Strauß stellen“. Dem ist der Münchner Airport gewidmet.

Flughäfen, die hierzulande nach Personen benannt sind, kann man an einer Hand abzählen – und braucht dafür noch nicht mal alle Finger. Möglicherweise hat das gute Gründe. „Hamburg-Fuhlsbüttel“ etwa klingt nicht eben mondän, aber man weiß wenigstens, wo man hinmuss. Bei „Franz-Josef Strauß“ liegt die Vermutung nah, dass es sich um einen bayerischen Flughafen handelt. Aber bei „Modersohn-Becker“ sind geografische Zweifel keineswegs ausgeschlossen – ein echter Namensnachteil. Wegen solcher Schwierigkeiten rechnet man bei der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen“ auch künftig nicht mit nennenswerten Namensoffensiven.

Ein schlechtes Omen für die in Bremen noch gar nicht recht begonnene Diskussion ist auch der Streit um den neuen Berlin-Brandenburger Flughafen: BefürworterInnen des „Willy Brandt-Airports“ rangen erbittert mit den AnhängerInnen einer Ehrung für Ernst Reuter, und nachdem auch Harald Juhnke als potenzieller Patron ins Spiel kam, nahm das Vorhaben keiner mehr ernst. Doch Paula Modersohn-Becker selbst, da ist Uecker ganz sicher, hätte durchaus Spaß an der Sache: „Gerade Du als Wandererin zwischen den künstlerischen Kosmen eines urbanen Paris und eines ländlichen Worpswede warst eine Internationalistin. Heute könntest Du in 50 Minuten von Bremen nach Paris fliegen.“ Ob Paula wirklich abhebt, bleibt abzuwarten.