: Radio Bremen – ein Festakt
15-mal soll es Applaus geben zwischen Mozart-Arien, Festreden und Kalbsbäckchen. Und natürlich Dr. Glässgen. Presse ist nicht zugelassen. Die taz veröffentlicht die vertrauliche Regie des Festaktes
Von Klaus Wolschner
Am kommenden Montag ist es so weit: Mit einem Festakt bedankt sich Radio Bremen bei den Geldgebern von der ARD für die Finanzspritze, die den Neubau des Funkhauses ermöglichte. Journalisten sind zu diesem Festakt nicht eingeladen, da soll blaues Blut unter sich bleiben. Vollkommen informell haben wir das Drehbuch dieses Festaktes bekommen – und wollen daraus berichten, um die Öffentlichkeit daran teilhaben lassen.
Da ist nichts dem Zufall überlassen. Die Nacht vor dem Tag X wird ein Mann vom Sicherheitsdienst Elko „Nachwache“ halten. 15 Uhr wird es dann ernst: „Alle auf Position“. 16.30 Uhr: „Achtung. 70 Personen kommen aus dem Haus die Treppe herunter.“ 18.10 Uhr: „4-6 Hostessen sind auf die zu setzenden Personen gebrieft.“ Mozart, „Non più andrai farfallone“ aus der Hochzeit des Figaro. 18.42 Uhr ist die Musik verklungen, „Dr. Glässgen begrüßt die Gäste“, 3 Minuten, Applaus. Es folgt Samtsuppe mit Maronen-Crème Fraiche. Dann soll es aus der Zauberflöte die Arie „Der Hölle Rache“ geben. Wer sich das ausgedacht hat: Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen. Nein, keine Sorge: „Text wird noch geändert“, heißt es in der Regieanweisung. Mozart NEU. Dann 10 Minuten Rede Dr. Glässgen – Applaus. Auch der ARD-Vorsitzende Raff bekommt 10 Minuten Redezeit, aber da ist erstaunlicherweise kein Applaus vorgesehen,„keine Musik, keine Moderation, keine Überbrückung“ – stattdessen „Weinwechsel 5-6 Minuten“. Dann „geschmortes Kalbsbäckchen“. Weitere Reden, immer wieder Applaus, die Regie verlangt 15-mal Applaus während des Festaktes. Nach Dvoraks Slawischem Tanz Nr. 15 in C-Dur – Applaus – erhebt sich Dr. Glässgen „zum Schlusswort“. 2 Minuten. Dr. Glässgen spricht. Dr. Glässgen bedankt sich bei dem Personal, Applaus. „Abbau, wenn die letzten Gäste raus sind.“
Zwar wird der Festakt von mehreren Fernsehkameras aufgenommen, der NDR hat allerdings abgelehnt, dafür einen Sendeplatz im Dritten zur Verfügung zu stellen.
Um die Frage, wer an dem Festakt teilnehmen darf, hat es im Vorfeld heftigen Streit gegeben. Zu vielen musste deutlich gemacht werden, dass sie nicht zu den ganz wichtigen VIPS gehören – nur 400 Plätze hat das Event-Studio. Dem Personalrat zum Beispiel hat Glässgen eigenhändig einen Brief geschrieben und mitgeteilt, „aus der Sicht einiger“ sei es „nicht nachzuvollziehen“, wenn die Belegschaftsvertreter zu dem Festakt eingeladen würden, immerhin habe der Personalrat „die tief greifenden Reformen abgelehnt und teilweise sogar bekämpft“. Er, Glässgen, lade sie aber dennoch ein und überlasse es den Personalvertretern, „ob Sie den Festakt als Dokumentation des Scheiterns verstehen“ wollten oder als Beweis dafür, dass er, der Intendant, Recht gehabt und getan habe.
Die Personalvertreter wunderten sich in ihrer Antwort über das Freund-Feind-Schema im Kopf des Intendanten, „es zerstört eine offene Diskussionskultur“. Glässgens Führungsstil produziere „Angst, Kritik zu üben“ und ziele darauf ab, die Mitarbeiter „mundtot“ zu machen.
Radio Bremen ist mit dem Umzug in ein neues, modernes Funkhaus und dem damit verbundenen Personalabbau keineswegs „über den Berg“, das hat der Intendant im Oktober in einer Hausmitteilung erklärt. Der Sender braucht für die Gebührenperiode 2009 bis 2012 monatlich 1,08 Euro pro Kopf mehr. Die ARD hat aber nur 95 Cent beantragt. In der Diskussion sei eine Erhöhung von 56 Cent.
Hintergrund ist das strukturelle Problem von Radio Bremen als kleinem Sender: Ein Programm für 500.000 Einwohner ist eben nicht zehnmal so preiswert zu machen wie eines für fünf Millionen Gebührenzahler. Wenn aber die Gebühren nur um 56 Cent erhöht würden, „dann müsste Radio Bremen zehn Prozent seines Etats kürzen“, sagt Glässgen, und das könne er sich „nicht vorstellen“. Es sei eine „bedrohliche Situation“, heißt es in dem Schreiben des Intendanten.
Das Drehbuch des Festaktes und die „Hausmitteilung“ des Intendanten im Wortlaut auf www.mehr-dazu.de