Neue Hürden für Hotspots

INTERNET Gesetzentwurf stellt WLAN-Betreiber von Haftung frei – aber nur wenn sie den Zugang verschlüsseln und die Nutzer Gesetzestreue versprechen. Privatleute müssen zudem alle Benutzer namentlich erfassen

„Der Entwurf ist realitätsfremd“

CHRISTIAN HEISE, FÖRDERVEREIN FREIE NETZWERKE

AUS BERLIN SVENJA BERGT
UND MALTE KREUTZFELDT

Im Invalidenpark, gleich hinter dem Berliner Hauptbahnhof, können Touristen etwas erleben, was in Deutschland bisher selten ist: ein offenes WLAN, mit dem man ohne Anmeldung, Passwort oder Gebühr ins Internet gelangen kann. Das Funksignal stammt vom benachbarten Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur. „Bei uns gibt es keine Barrieren“, verkündet CSU-Minister Alexander Dobrindt stolz.

Doch wenn es nach dem Bundeswirtschaftsministerium geht, haben es solche offenen Internetzugänge künftig schwer. Ein Gesetzentwurf, der am Donnerstag veröffentlicht wurde, sieht nämlich neue Hürden für die Anbieter von Internet-Hotspots vor: Die Zugänge müssen künftig zwingend verschlüsselt sein – auch wenn das Passwort dann jedem weitergegeben werden darf. Zudem sollen die Nutzer auf einer vorgeschalteten Seite zunächst erklären, „im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen“. Wer sein Funknetz privat teilen will, etwa mit Nachbarn oder in einer WG, muss zusätzlich alle Nutzer namentlich erfassen.

Im Gegenzug bekommen die Anbieter die Gewähr, dass sie nicht für mögliche Urheberrechtsverletzungen oder andere Vergehen der Nutzer haften müssen. Bisher war unklar, inwieweit diese sogenannte Störerhaftung für die Anbieter von WLAN-Zugängen greift. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht das Gesetz darum als großen Fortschritt. Es werde „dem Ausbau öffentlich zugänglicher Hotspots einen Schub geben“, meint der SPD-Chef.

Allerdings kommt der Gesetzentwurf zu einem Zeitpunkt, zu dem das Problem der Störerhaftung sich gerade etwas zu lösen schien – durch die Rechtsprechung. In den vergangenen Monaten hatten mehrere Gerichte im Sinne der Anbieter von offenen WLANs entschieden und auch Privatanbieter von der Störerhaftung ausgenommen.

Experten anderer Parteien befürchten darum, dass das Gesetz den Hotspot-Ausbau eher behindert. „Durch die Pflicht zur Verschlüsselung werden öffentliche Internetzugänge in Zukunft unmöglich“, meint Patrick Breyer von der Piratenpartei. „Weitere Zugangsbarrieren“ baue die Große Koalition auf, kritisiert auch der Grüne Konstantin Notz. Für Halina Wawzyniak von der Linksfraktion ist der Entwurf schlicht „Stümperei“, die neue „Rechtsunsicherheit schafft“. Unzufrieden sind auch Betreiber von Freifunk-Netzen, für die Privatpersonen ihr WLAN öffnen. „Der Entwurf ist realitätsfremd und baut neue Hürden auf“, sagt Christian Heise vom Förderverein freie Netzwerke. Ob organisierte Freifunker als Privatpersonen oder geschäftsmäßige Anbieter behandelt werden, bleibe unklar.

Das Verkehrsministerium befürchtet indes nicht, sein unverschlüsseltes WLAN in Kürze wieder abschalten zu müssen. Das wird nämlich nicht vom Ministerium selbst betrieben, sondern von einem Telekommunikationsdienstleister. Und für die greift die Störerhaftung ohnehin nicht.

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