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Archiv-Artikel

Schallplattenkonzert mit Rückkopplungen

„Lautsprecherkonzert“: Die Werke des Feedback-Festivals am Wochenende in den Sophiensælen kamen fast ausschließlich von Tonträgern

„I am sitting in a room different from the one you are in now.“ Mit diesem Satz beginnt der Elektroakustik-Klassiker „I am sitting in a room“ des amerikanischen Komponisten Alvin Lucier aus dem Jahr 1969. In dem Stück hört man Lucier einen Text sprechen, der beschreibt, was in seiner Komposition passiert: Er sitzt in einem Raum und nimmt seine Stimme auf, anschließend spielt er die Aufnahme ab und nimmt sie gleichzeitig noch einmal auf. Diesen Vorgang wiederholt er immer wieder aufs Neue. Mit jeder weiteren Aufzeichnung verstärken sich die Frequenzen, die der Raum beim Abspielen der Aufnahme erzeugt. So entstehen allmählich Rückkopplungen und melodische Frequenzen, die den Klang der Stimme zunehmend überlagern. Irgendwann hört man keine Sprache mehr, sondern nur noch ein dichtes Geflecht aus den Tönen, die von der Raumakustik zurückgeworfen werden.

Luciers Komposition bildete den Höhepunkt des Eröffnungskonzerts von „Feedback“, einem von der Berliner Gesellschaft für Neue Musik e. V. veranstalteten Festival, das sich Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Maschine in der Musik widmet. Feedbacks und „closed circuits“ waren das Thema des ersten Abends.

So erscheint in Luciers Stück das Thema Selbstreferenzialität gleich mehrfach gespiegelt: Einerseits dient der gesprochene Text zugleich als Beschreibung der Komposition, andererseits wird das Medium Tonband in einem theoretisch unendlichen Prozess mit sich selbst kurzgeschlossen. Interessant wird das Stück durch einen scheinbar willkürlichen Faktor: Es macht den Raum, in dem die Aufnahme entsteht, zum Resonanzkörper. Die akustischen Verhältnisse des Raums bestimmen den aus dem Aufnahmeprozess resultierenden Klang, sie „machen“ die Musik. Auch wenn immer wieder derselbe Text zu hören ist, hat die allmähliche Verwandlung des Klangs eine fast schon meditative Wirkung auf die Hörer, weshalb die gut vierzig Minuten dauernde Komposition nicht langweilig wurde. Zu Recht gilt das formal höchst elegante Stück als Klassiker der Musik des zwanzigsten Jahrhunderts.

Obwohl „I am sitting in a room“ auch live aufgeführt werden kann, erklang in den Sophiensælen eine Aufnahme von Lucier aus dem Jahr 1970. Festival-Kurator Thomas Gerwin, der Klangregie führte, variierte dazu die Abmischung der Lautsprecher, während das Publikum dabei zusehen konnte, wie auf der Bühne ein CD-Player bedient wurde. Dieser Aspekt der Selbstreferenzialität des Mediums Tonträger wurde an diesem Abend leider nicht thematisiert.

Im ersten Teil des Konzerts gab es ein frühes Stück des Berliner Komponisten Frieder Butzmann in einer Schallplattenaufnahme zu hören. Die „Wunderschöne Rückkopplung Nr. 5“ erzeugte der fünfzehn Jahre alte Butzmann mit einem Tonband, einem Mikrofon und einer Lautsprecherbox. Wie er in der anschließenden Diskussion ausführte, war das Tonband für ihn als Kind ein „Spielzeug“, seine Aufnahmen nannte er in Ermangelung eines Begriffs „Hörspiele“. Voll Bewunderung sprach Butzmann über Luciers Stück, das er in der Tradition der „amerikanischen Tape-Musik nach John Cage“ sah und als eine seiner Lieblingskompositionen bezeichnete. Man könne „mitgehen“ wie bei einem Stück von Bach: „Der Raum wird praktisch hörbar. Das ist wie eine Fahrt in den Himmel.“

Mit Steve Reichs „Pendulum Music“ aus dem Jahr 1968 gab es schließlich auch eine veritable Aufführung mit Spielern. Vier Mikrofone wurden je vor einer Box in eine Pendelbewegung versetzt und erzeugten so kurze Rückkopplungen, die sich in immer wieder neuen Rhythmen überlagerten, bis die Mikrofone allmählich zur Ruhe kamen. Besonders bei diesem Stück waren die Rückkopplungen in schon fast schmerzhafter Weise am eigenen Körper zu spüren.

In den beiden neueren Werken kam das Thema Rückkopplung nur in abstrakter Form ins Spiel: Peter Lundéns „Big Bang on Whispering Water“ von 1995 verwendet das Verfahren der Granularsynthese, in der konkrete Klänge atomisiert und neu zusammengesetzt werden. Ralf Wehowskis „Tulpa 3“ war eine eher komische Miniatur aus digitalen Störgeräuschen. Und obwohl man sich darüber freute, dass das Konzert wichtige Werke des zwanzigsten Jahrhunderts zur Aufführung brachte, die nur selten auf dem Programm stehen – es ist eine ernüchternde Erfahrung, im Konzertsaal zu sitzen und CDs vorgespielt zu bekommen. TIM CASPAR BOEHME