Rieger lässt Bahnhof fahren

Der NPD-Funktionär Jürgen Rieger betrachtet den Kauf des Alten Bahnhofs in Melle für gescheitert. Grund sei nicht der politische Protest gegen sein befürchtetes Nazi-Zentrum, sondern zu erwartende Schwierigkeiten mit dem Baurecht

Der Kauf ist gescheitert. Der Hamburger Rechtsanwalt und NPD-Funktionär Jürgen Rieger will den alten Bahnhof im niedersächsischen Melle nicht mehr zum Neonazizentrum umgestalten. Auf seiner privaten Internetseite erklärt der Hamburger NPD-Landesvorsitzende nun: „Dieses Projekt hat sich zerschlagen.“ Die Einwohner von Melle sind über diese Nachricht erleichtert. „Prima!“ heißt es etwa im Weblog www.melle-sagt-nein.de, oder: „Ich hoffe, Herr Rieger hat in Melle sein Waterloo erlebt“. Zurückhaltender äußert sich Melles Bürgermeister André Berghegger (CDU): „Ich würde mich freuen, wenn sich bestätigt, dass Rieger vom Kaufvertrag zurücktritt und keine Nutzung im Meller Bahnhof vornimmt.“

Bereits im September hatte Rieger erklärt, das 800-Quadratmeter-Gebäude für mehr als 700.000 Euro erwerben zu wollen. Einen unterzeichneten Kaufvertrag ließen Stefan Schimweg, der Eigentümer der Immobilie, und Rieger der Stadt Anfang Oktober zukommen. „Geld ist aber nie geflossen“, sagt der grüne Ratsherr Alfred Reehuis. Kaum war der mögliche Besitzerwechsel des alten Bahnhofs Kauf jedoch öffentlich bekannt geworden, folgten breite Proteste.

Diese „politischen Anfeindungen“ hätten ihn aber „nicht beeindruckt“, erklärt Rieger. Er räumt aber ein, dass der verwaltungs- und baurechtliche Widerstand ihn abgeschreckt habe: Mit neuen Regelungen hatte die Stadt die Bebauungspläne und Nutzungsmöglichkeiten für die Immobilie eingegrenzt. Der „bahnaffine“ Charakter des Gebäudes hätte in jedem Fall bewahrt bleiben müssen.

Das waren offenbar zu eng gefasste Regeln, als dass Rieger seinen angeblichen Traum vom braunen Schulungszentrum in Melle hätte verwirklichen können. „Mit Rücksicht darauf lässt sich das von mir beabsichtige Konzept nicht durchführen“, erklärte Rieger. Mit Rücksprache des Verkäufers habe er von seinem „eingeräumten Rücktrittsrecht vom Vertrag Gebrauch gemacht“.

Ein wirkliches Kaufinteresse Riegers war vom Stadtrat jedoch immer bezweifelt worden: Der Verkehrswert der Immobilie liegt bei gerade mal 200.000 Euro. Im Stadtrat waren sich die Fraktionen daher auch einig, dass die Kommune nicht von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen werde. „Ich glaube, uns ist gelungen, dem Geschäftsmodell zwischen Immobilienbesitzern und Rechtsextremen eine Delle beigefügt zu haben“, sagt Ratsmitglied Reehuis.

Der Bahnhof steht seit längerem unter Zwangsverwaltung. Dem verschuldeten Schimweg hat die Stadt jetzt neue Verhandlungen angeboten, falls das Gebäude zu „einem marktgerechten Preis zu erwerben“ sei. „Dann können wir das Gebäude und die Fläche in unsere Überlegungen für die Zukunft Melles einbeziehen“, hofft Bürgermeister Berghegger. Derweil schimpft Rieger online, erneut sei das Baurecht benutzt worden, „um damit die politische Opposition massiv in ihren Gestaltungsmöglichkeiten zu behindern“. ANDREAS SPEIT