: Postschnüffelei eingegrenzt
Die flächendeckende polizeiliche Briefkontrolle in Hamburg vor dem G8-Gipfel Anfang Juni war rechtswidrig, sagt der Bundesgerichtshof. Die Ermittlungsbehörden sind nicht befugt, die Post selbst zu kontrollieren
Die vom Bundeskriminalamt (BKA) im Vorfeld des G8-Gipfels durchgeführte flächendeckende Briefkontrolle von Postsendungen aus mehreren Stadtteilen in Hamburg war im Wesentlichen rechtswidrig. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) auf Beschwerde eines betroffenen Anwaltes und der Humanistischen Union entschieden. Die Kontrolle und das Aussortieren von Briefsendungen auf richterliche Anordnung hätten allenfalls durch Postangestellte, jedoch nicht von Staatsschützern erfolgen dürfen, so der BGH.
Nach einer Serie von Brandanschlägen in Hamburg vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm hatte die Bundesanwaltschaft beim BGH-Ermittlungsrichter eine Postkontrolle im Briefzentrum 20 in Hamburg-Altona beantragt, um mögliche Täterkommunikation oder Bekennerbriefe abzufangen. Am 22. Mai dieses Jahres nisteten sich 16 Staatsschützer in einem Raum des großen Briefsortierzentrums ein, schickten die Postmitarbeiter weg und sichteten rund um die Uhr selbst tausende Briefe – und verstießen damit laut BGH eindeutig gegen die Strafprozessordnung (StPO). Denn nach den Paragrafen 99 und 100 StPO hätte eine Briefkontrolle nur durch die Post durchgeführt werden dürfen. „In dieser Phase der Postbeschlagnahme ist eine Mitwirkung von Ermittlungsbeamten oder auch des Richters grundsätzlich ausgeschlossen“, heißt es im BGH-Beschluss. Dies entspreche dem „Schutzzweck der Postbeschlagnahme“, so der BGH. „Die Durchsicht der aus den 100 Briefkästen stammenden Sendungen durch 16 Polizeibeamte aufgrund vorgegebener Suchkriterien war durch die Paragrafen 99,100 StPO nicht gedeckt.“
Ein Rüffel geht auch an die Post. Denn nach Auffassung des BGH hätte das Unternehmen „auf die Durchführung der Sichtung mit eigenen Kräften nicht verzichten“ dürfen, ebenso wenig wie sie „zur freiwilligen Herausgabe von Sendungen befugt“ gewesen sei. „Das Postgeheimnis dient nicht ihrem Schutz, sondern dem ihrer Kunden.“
Für den Vize-Vorsitzenden der Humanistischen Union und Vertreter des Hamburger Anwaltes vorm BGH, Fredrik Roggan, „ist es außerordentlich erfreulich, dass der BGH dem Ermittlungseifer der Bundesanwaltschaft und dem BKA Grenzen gezogen hat“. Die Entscheidung habe auch Auswirkungen auf weitere Verfahren, wie die kürzlich erfolgte Briefkontrolle an vier Berliner Redaktionen. „Die Praxis der Aushöhlung des Briefgeheimnisses“, so Roggan, „ist unverzüglich zu beenden“. KAI VON APPEN