: Ausbildung zum Fördertarif
In Ostdeutschland sind betriebliche Ausbildungsplätze Mangelware. Ohne Förderung geht es nicht. Doch in diesem Jahr wurden in den Ausbildungsprogrammen Ost 3.000 Lehrstellen weniger finanziert. Die Zahl der Bildungsträger wird abnehmen
Jeder zehnte Auszubildende der neuen Bundesländer einschließlich Berlin wird über das Ausbildungsplatzprogramm Ost gefördert. Bis zum Jahr 2010 rechnen Bund und neue Länder weiterhin mit einer angespannten Lage am ostdeutschen Ausbildungsmarkt. Das Sonderprogramm wird daher unter Berücksichtigung des demografisch bedingten Nachfragerückgangs bis Ende des Jahrzehnts weitergeführt. Für die Finanzierung des Ausbildungsplatzprogramms Ost 2007 werden 135 Millionen Euro veranschlagt. Die Studie „Wirksamkeit staatlich finanzierter Ausbildung“ hat das Programm soeben evaluiert.
VON KRISTINA SIMONS
Ohne öffentliche Förderung würden in Ostdeutschland sehr viel mehr Jugendliche ohne Ausbildungsplatz dastehen als im Westen der Republik. Noch immer ist die Zahl der Schulabgänger, die dort eine Lehrstelle suchen, deutlich größer als das Angebot der Betriebe. Heute steht fast jeder dritte Auszubildende in den neuen Ländern in einem öffentlich geförderten außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnis – in den alten Bundesländern betrifft das nur jeden 25. Auszubildenden. „Außerbetrieblich“ heißt: Nicht ein Ausbildungsbetrieb ist für die Ausbildung verantwortlich, sondern externe Bildungsträger. Finanziert wird das Ganze entweder über die sogenannte Benachteiligtenförderung der Bundesagentur für Arbeit, die sich nicht nur an sozial, sondern auch an marktbenachteiligte Jugendliche richtet. Oder die Förderung läuft über die Ausbildungsplatzprogramme Ost von Bund und neuen Ländern einschließlich Berlin beziehungsweise über ergänzende Länderprogramme.
Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat untersucht, ob die außerbetrieblichen Ausbildungsverhältnisse hinsichtlich Qualität und Lehrinhalten mit regulären betrieblichen mithalten können. Das Zentrum für Sozialforschung in Halle (ZSH) hat sich die Bildungsträgerlandschaft näher angeschaut. Die Ergebnisse beider Institute sind zusammengefasst in der Studie „Zwischen Markt und Förderung – Wirksamkeit und Zukunft von Ausbildungsstrukturen in Ostdeutschland“. Das BIBB hat sich dabei auf die Ausbildungsplatzprogramme Ost beschränkt.
Die Jugendlichen, die im Rahmen der Ausbildungsplatzprogramme Ost keine schulische, sondern eine betriebsnahe Ausbildung machen – das sind in den neuen Ländern etwa 80 Prozent –, verbringen mindestens die Hälfte der gesamten Ausbildungsdauer in sogenannten Praktikumsbetrieben, wo sie gemeinsam mit regulären betrieblichen Auszubildenden lernen. Die schulische Ausbildung wird von Berufsschulen durchgeführt, die mit außerbetrieblichen Bildungsträgern zusammenarbeiten. „Hinsichtlich der Lernorte unterscheidet sich eine außerbetriebliche Ausbildung heute oft nicht mehr von der dualen Ausbildung in Betrieb und Berufsschule“, sagt Klaus Berger vom BIBB. „Hinsichtlich der Ausbildungsvergütung sind die außerbetrieblichen Auszubildenden allerdings benachteiligt.“ Wer eine betriebsnahe Ausbildung macht, bekommt monatlich mehrere hundert Euro weniger als reguläre Azubis, mit denen gemeinsam im Betrieb gelernt wird. Die schulischen Ausbildungen werden gar nicht vergütet, es kann allenfalls Bafög beantragt werden. „Es fördert natürlich nicht gerade das Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Auszubildenden, wenn Status und Vergütung so unterschiedlich sind“, sagt Holle Grünert vom ZSH.
Genau das wird von den betroffenen Auszubildenden auch erwartungsgemäß am häufigsten kritisiert. Abgesehen davon sind laut Befragung des BIBB gut zwei Drittel der Teilnehmer an den Ausbildungsprogrammen Ost zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung. Fast jeder Zweite hätte sich allerdings eine reguläre betriebliche Ausbildung gewünscht. Die Erfolgsquote bei Abschlussprüfungen bewege sich bei den Programmteilnehmern auf nahezu gleichem Niveau wie bei Prüfungsteilnehmern, die eine betriebliche Ausbildung absolviert haben, so die BIBB-Studie weiter. „Allerdings haben die Teilnehmer der Ausbildungsplatzprogramme Ost nach Abschluss der Ausbildung geringere Chancen, übernommen zu werden, als die regulären Auszubildenden des Ausbildungsbetriebs“, so Berger. Die Teilnehmer der Benachteiligtenförderung beurteilen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sogar noch schlechter, so die Erfahrung des ZSH.
Rund 180 verschiedene Berufe werden heute im Schnitt außerbetrieblich angeboten. „Die Ausbildungsprogramme Ost wurden auch dazu genutzt, neue Berufe mit Zukunftsperspektive zu stärken, die es vor zehn, elf Jahren noch nicht oder nicht in der jetzigen Form gab“, so Berger. Dazu gehören zum Beispiel die IT-Systemkauffrau oder der Mechatroniker. Vor allem ausbildungsunerfahrene, kleine Betriebe, die eine reguläre betriebliche Ausbildung nicht finanzieren könnten, sollen durch die Förderprogramme dazu animiert werden, mehr auszubilden. Jeder beteiligte Betrieb muss dabei nachweisen, dass nicht etwa betriebliche Ausbildungsplätze außerbetrieblichen geopfert werden.
Künftig werden die öffentlich finanzierten Ausbildungsgänge in den neuen Ländern wachsendem Druck ausgesetzt sein, so das Ergebnis der ZSH-Untersuchung. Vier von fünf Bildungsträgern gehen demnach davon aus, dass die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen aufgrund der demografischen Entwicklungen in Ostdeutschland bereits in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen wird. Die meisten von ihnen rechnen damit, dass deshalb auch die Fördergelder gekürzt werden. Bereits in diesem Jahr wurden allein mit den Ausbildungsprogrammen Ost 3.000 Ausbildungsplätze weniger finanziert. Viele Bildungsträger haben deshalb bereits ihr Tätigkeitsspektrum erweitert: Sie bieten nicht nur Erstausbildungen an, sondern auch Fort- und Weiterbildungen oder auch Personaldienstleistungen. Oder sie konzentrieren sich stärker auf behinderte und sozial benachteiligte Jugendliche. „Bevor Betriebe solche Menschen ausbilden, bilden sie nämlich oftmals lieber gar nicht aus“, weiß Grünert aufgrund der Befragungen von Bildungsträgern und Betrieben. „Die Zahl der Bildungsträger wird wohl dennoch abnehmen“, ist ihre Einschätzung.