: Exit-Strategien
KONZERT Thurston Moore in der Berliner Volksbühne
Mit einem knappen „Merry Christmas“ begrüßte Thurston Moore sein Publikum in der bestens gefüllten Berliner Volksbühne. Was in dieser weihnachtlichen Tonlage durchaus passte, weil das Publikum doch in der Erwartung gekommen war, mit dem Sonic-Youth-Gitarristen vielleicht irgendwie auch ein Sonic-Youth-Konzert als Geschenk zu bekommen.
Zumal mittlerweile allerorten geunkt wird, dass es mit dieser Band, die seit den frühen achtziger Jahren die Lärmgitarre mit viel Popappeal zum guten Gewissen des Indie-Rock bündelte, vorbei sein könnte. Vor kurzem wurde nämlich das Ende der langjährigen Ehe von Thurston Moore mit seiner Bandpartnerin Kim Gordon verkündet.
Andererseits kann es nie schaden, sich jenseits der 50 auch musikalische Exit-Strategien offen zu halten, um nicht immer nur weiter die Lärmgitarrre auf einer Rockbühne spielen zu müssen, um seinen Klassikerstatus zu bestätigen.
So eine Option hat Thurston Moore in diesem Jahr mit seinem Soloalbum „Demolished Thoughts“ vorgelegt. Ein eher zurückhaltendes Songwriteralbum ist das geworden, schon nach Folk schmeckend und sanftmütig in der Stimmung, deswegen aber nicht unbedingt weniger sperrig. Weiterhin ist er auch an Sounds interessiert, nur dass das diesmal an akustischen Instrumenten ausgespielt wurde: viel Geige und Harfe, gar kein Süßstoff.
Eine ruhige Musik, die man gut auch im Sitzen spielen könnte, was ja nicht immer gleich einen Zuwachs an Betulichkeit bedeuten muss, sondern nur ein Mehr an Konzentration.
Jedenfalls neue Möglichkeiten, von denen Moore, mittlerweile 53 und optisch weiterhin ein jugendlich wirkender Schlaks, bei seinem Konzert in der Volksbühne allerdings eher weniger wissen wollte.
Er wollte lieber rocken. Er zerrte an seinen akustischen Gitarren, schredderte über die Saiten, hüpfte auf der Bühne herum, schüttelte das Haar, und seine Band rockte hinterher. Wo aber auf dem Album die Geige und die Harfe noch für abgründig verwunschene Stimmungen sorgten, blieben sie beim Konzert bloße Dekoration in straff geschrammelten Songs.
Einer Neuerfindung von Thurston Moore durfte man an diesem Abend nicht beiwohnen. Es war einfach nur ein unterhaltsames, abwechslungsreiches Konzert mit der Erkenntnis, dass man auch an der akustischen Gitarre ordentlich Lärm machen kann. Über weite Strecken bester Kneipenfolkrock minus Schunkeln. Schon auch nett. Und zuletzt bekam das Publikum sogar noch in Teilen ein etwas Noise-reduziertes Sonic-Youth-Konzert. Es dankte, derart beschenkt, mit Begeisterung.
THOMAS MAUCH