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Archiv-Artikel

Lasst Stoffe sprechen

Gegen Leggins, Röhrenjeans und Oversize-Shirts: Mit ihrem Label Inat setzt die junge Berliner Modedesignerin Gülriz Egilmez auf Eleganz und klassische Schnitte. Das sieht an jeder Frau gut aus

Gülriz Egilmez sagt: „Jede Frau ist schön beziehungsweise hat ihre schönen Seiten, die wir durch Kleidung hervorheben können“

VON ANNABELLE HIRSCH

Es ist so weit. Mit den Herbst/ Winter-Kollektionen 2007/2008 schlägt die Trendmaschine nach langen Jahren der sogenannten Revivals jetzt eine neue Richtung ein. Endlich soll Schluss sein mit den Neonfarben der 80er, mit T-Shirts in XXL über golden schimmernden Leggins und Plastikschmuck. Auch die Hippies können einpacken! Schmuddellook und mädchenhafte Blümchenkleider bleiben bis auf Weiteres im Schrank. Die Laufstege dieser Welt besinnen sich auf ein vor langer Zeit in Vergessenheit geratenes Stilmotto: die Eleganz.

Zeitgleich mit diesem internationalen Umschwung hat das junge Berliner Prêt-à-Porter-Label Inat die Tore zu seinem ersten eigenen Shop im Prenzlauer Berg geöfnnet – überzeugt von der Mission, die als „zeitlos“ empfundene Eleganz auf den Straßen der deutschen Hauptstadt zu etablieren.

Eleganz in Berlin? Bis dato orientiert sich der Hort der ewigen Jugend – oder auch des ewigen Jugendwahns – eher an dem Grungelook eines Pete Doherty oder einer Kate Moss. Die Stadt zeigt sich sehr offen für den 80er-Jahre-Newrave-Style und zelebriert neuerdings mit verblüffendem Eifer die Wiederauflage des Palästinenserschals. Von Eleganz keine Spur!

Der 34-jährigen Designerin Gülriz Egilmez, die Teil von Inat ist, ist natürlich bewusst, dass sie es sich für ihren Start nicht einfach gemacht hat: „Klar ist es gerade in Berlin ein rasanter Kontrast zu den ständig wechselnden Trends, dem Hype und der Schnelllebigkeit, aber ich denke, gerade hier besteht ein großer Bedarf nach etwas Eleganz.“ Auf Türkisch bedeutet Inat so viel wie Eigensinn oder Durchsetzungsvermögen, steht also in diesem Fall für ihren festen Willen, Berlin zu erobern.

Gefällt hat Gülriz Egilmez den Entschluss zu einer eigenen Kollektion vor etwa zwei Jahren. Nach ihrem Studium hatte sich die Absolventin der bekannten Esmod-Schule ganz bewusst gegen ein eigenes Label entschieden, um in diversen Positionen, unter anderem bei Hugo Boss, erste Erfahrungen zu sammeln. Angesichts der Stilentwicklung, die erwachsene Frauen dazu drängte, sich in unvorteilhafte Röhrenjeans oder Leggins zu zwängen und sich damit lächerlich zu machen, wurde für sie die Notwendigkeit eines neuen, eigenen Labels offensichtlich. Dem Schreierischen, Geschmack- und Stillosen sollte etwas entgegengesetzt werden. Etwas, das sich der rasanten Schnelllebigkeit der Trends entzieht.

Ausgangspunkt für Gülriz Egilmez’ Kollektion sind die Stoffe. Vorherrschende Materialien sind bei Inat diesen Winter Schurwolle mit Kaschmir und Baumwolle in den Farben schwarz, blau und grau; bezogen werden die Stoffe hauptsächlich aus der Türkei. Wie um ihr Vorgehen zu erklären, zitiert die Designerin den französischen Dichter Baudelaire: „Stoffe sprechen eine stumme Sprache.“ Sie erklärt, das haptische Erlebnis spiele für sie eine besondere Rolle, da sich der Träger eines angenehmen Stoffs wohlfühle und das auch durch ein selbstbewusstes Auftreten ausstrahle.

Für diese Ausstrahlung bedarf es natürlich auch des Designs und des Schnitts. Hierbei hat Gülriz vor allem darauf geachtet schlichte, klare Schnitte ohne dekorative Elemente zu entwerfen. Schlichte Eleganz eben! In der dreißigteiligen Kollektion finden sich so zeitlose Klassiker wie der schwarzen Blazer (besonderer Blickfang: der seidene Kragen), das kleine Schwarze (rückenfrei und knielang) oder auch der an Coco Chanels Stil angelehnte Hosenanzug. Im Zeichen der Modeikone Coco Chanel steht auch das Spiel zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit, das sich durch die gesamte Kollektion zieht. Weil Eleganz nicht gleich langweilig bedeuten soll, bietet Gülriz Egilmez ihren Kundinnen eine frei kombinierbare Neuauflage der Klassiker an. Das traditionelle Kostüm aus grauem Blazer und Stiftrock zum Beispiel kann zu einem Cape-Rock oder Cape-Kostüm umfunktioniert werden.

Für die Designerin ist es wichtig, für die erwachsene, berufstätige Frau Kleidung zu entwerfen, in der sie sich immer wohl fühlen kann und trotzdem immer fabelhaft aussieht. Ob im purpurnen Seidenminikleid oder im Hosenanzug à la Marlene Dietrich, die schlichte Schönheit der Stoffe und der Schnitte verleiht jeder Frau eine bezaubernde Allüre. In ihrer ungezwungenen Eleganz erinnern Inats Entwürfe auch ein bisschen an den „Pariser Schick“, was sich vielleicht auch durch Vorbilder wie Coco Chanel, Dior oder das jüngere Pariser Label Vanessa Bruno erklären lässt. Auch ihre Haltung zum Verhältnis von Schönheit und Eleganz wirkt irgendwie französisch: „Schönheit ist ein Zustand, Eleganz eine Haltung. Für mich ist jede Frau schön beziehungsweise hat ihre schönen Seiten, die wir durch Kleidung hervorheben können.“

Gülriz Egilmez kommt aus der Türkei, wo sie auch einen Großteil ihrer Kleidung produziert. Der restliche Teil entsteht in Zusammenarbeit mit einer Schneiderin aus Kreuzberg. Für ihre nächste Kollektion hat sich Inat mit einer kleineren Herrenkollektion auch schon einen eleganten Überfall auf die Männerwelt überlegt. Bis es so weit ist, kann Frau aber schon einmal im Alleingang einen Abstecher in die Schwedterstraße 22 wagen, um Gülriz Egilmez und ihre beiden Partner Tobias Raddatz und Erik Hildenbrand im Inat-Shop zu besuchen.

Inat, Schwedterstr. 22, 10119 Berlin, Do 12–20 Uhr, Fr 12–21 Uhr, Sa 12–20 Uhr