: „Das ist unglaublich frustrierend“
Holger Hövelmann, SPD-Innenminister in Sachsen-Anhalt, über die Schwierigkeit, Polizisten zum konsequenten Kampf gegen rechtsextreme Gewalt anzuhalten. Zurücktreten will er nicht – auch wenn das LKA ohne sein Wissen Statistiken geschönt hat
HOLGER HÖVELMANN, geboren 1967, ist SPD-Politiker und seit 2006 Innenminister von Sachsen-Anhalt.
INTERVIEW SARAH STRICKER
taz: Herr Hövelmann, vor einigen Tagen wurde bekannt, dass das Landeskriminalamt in Sachsen-Anhalt die Statistik über rechtsextreme Straftaten geschönt hat. Sollten Sie nicht lieber tatsächlich etwas gegen Neonazis unternehmen?
Holger Hövelmann: Dass wir nichts gegen Neonazis unternehmen, kann uns nun wirklich niemand nachsagen. Was vom LKA im Alleingang geändert wurde, war die Zählweise in der Statistik. Straftaten, bei denen der Täter nicht feststeht, wurden nicht wie zuvor als links- oder rechtspolitisch motivierte Delikte eingeordnet, sondern als „Straftat ohne explizite politische Motivation“ erfasst. Dadurch sah der Rückgang rechtsextremer Straftaten in der Statistik wesentlich größer aus als in der Realität. Ich habe sofort angeordnet, zur alten Zählweise zurückzukehren. Illegal war diese Umstellung allerdings nicht, und ich habe auch keinen Grund zu glauben, dass jemand etwas verharmlosen wollte.
Warum sonst sollte man die Kriterien plötzlich ändern?
Nach Gesprächen mit den Verantwortlichen im Landeskriminalamt ging es nur darum, eine einheitliche Zählweise entsprechend ihrer Rechtsauffassung einzuführen.
Aha.
Was ich dem LKA unter Leitung von Herrn Hüttemann zur Last lege, ist zweierlei: Erstens hätte erkannt werden müssen, in welcher politischen Brisanz wir uns bewegen, wenn wir gerade bei etwas so Heiklem wie der politisch motivierten Kriminalität Veränderungen vornehmen. Zweitens kann ich ja wohl erwarten, dass man sich vor der Änderung mit mir in Verbindung setzt. Das hat nicht stattgefunden. Ich hätte dem Vorgehen auch keinesfalls zugestimmt.
Sie sprechen sich immer wieder gegen Rechtsextremismus aus. Warum hören Ihre Untergebenen nicht auf Sie?
Wenn sie das nie täten, hätten wir nicht so hohe Aufklärungsquoten. Trotzdem: Es ist für mich eine unglaublich frustrierende Situation, dass wir immer wieder und wieder und wieder in den Apparat hinein, aber auch in die Öffentlichkeit kommunizieren, dass die Bekämpfung des rechten Randes ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist. Und dann passieren solche Dinge, oder die Landeszentrale für politische Bildung lädt tatsächlich NPD-Mitglieder zu einer Veranstaltung ein. Bei so was denke ich mir, das darf doch nicht wahr sein.
Der Chef des LKA, Frank Hüttemann, hat am Mittwoch seinen Stuhl geräumt. Ist er wirklich freiwillig zurückgetreten – oder konnte er nicht anders?
Herr Hüttemann und ich hatten ein sehr langes Gespräch, und am Ende hat er mich darum gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Mir war klar, dass ihm persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, aber in einer solchen Funktion trägt man auch Verantwortung für seine Mitarbeiter.
Sie selbst sind allerdings auch für Ihre Untergebenen verantwortlich – und denen passiert derzeit ein Fehler nach dem anderen.
Ja. Das stimmt, dass ich für Fehler Verantwortung trage. Die Verantwortung besteht zunächst mal darin, dass ich die Fehler und ihre Ursachen abstellen muss.
Warum treten Sie nicht zurück?
Mit der Zunahme rechter Gewalttaten in Sachsen-Anhalt in den vergangenen beiden Jahren mehrte sich auch die Kritik am Verhalten der Polizei. Mitte September setzte der Landtag auf Betreiben der Linksfraktion deshalb einen Untersuchungsausschuss ein. Er soll klären, ob Polizisten rechtsextremen Straftaten nur unzureichend entgegengetreten sind oder die Aufklärung gar behindert haben. Am Mittwoch trat außerdem der Direktor des Landeskriminalamts, Frank Hüttemann, zurück. Zuvor war bekannt geworden, dass durch eine andere Zuordnung, insbesondere von Propagandadelikten, die Statistik politisch motivierter Straftaten geschönt worden war. MIBA
Ich hoffe, dass wahrgenommen wird, dass ich mit Ernsthaftigkeit an die Lösung der Probleme gehe. Ob man immer alles richtig macht, ist eine andere Frage. Aber der Wille ist da.
Der Wille ist schön und gut. Aber was tun Sie konkret gegen den laxen Umgang der Polizei mit Nazis?
Nach dem Vorfall in Halberstadt, wo eine Theatergruppe von stadtbekannten Neonazis verprügelt wurde, habe ich mich in einem persönlichen Brief an alle Polizistinnen und Polizisten gewandt und gefordert, dass es keine Gleichgültigkeit im Umgang mit Rechtsextremismus geben darf. Wir sind seit Monaten dabei, mit flächendeckende Schulungsmaßnahmen nachzubessern. Aber bei rund 7800 Beamten dauert es eine Weile, bis wir jeden erreichen. Und am Ende ist es nicht nur eine Frage des Wissens, sondern der persönliche Einstellung zum Beruf.
Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten Ihren Laden nicht im Griff. Mangelt es Ihnen an Autorität?
Ich weiß nicht, ob es ein Autoritätsproblem ist. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass die Polizei ignoriert, was ich veranlasse. Ich nenne das Problem beim Namen, ich mache es öffentlich und versuche, es zu beheben. Ich kann nicht erkennen, dass das falsch ist.