: Messerfreies Zönchen
Der Senat verhängt ein Waffenverbot auf dem Kiez – aber auch nur dort. Dabei kommt es nicht nur entlang der Reeperbahn, sondern in der ganzen Stadt immer wieder zu Messerstechereien
VON ELKE SPANNER
In Hamburg bleibt es dauerhaft erlaubt, Dolche oder andere Waffen bei sich zu tragen. Trotz allwöchentlicher Messerstechereien plant der Senat kein Waffenverbot. Nur in einem eng abgesteckten Bereich auf St. Pauli ist es ab der kommenden Woche untersagt, eine Stichwaffe, Knüppel, Tierabwehrsprays oder andere gefährliche Gegenstände mit sich zu führen. Das Waffenverbot gilt auf der Reeperbahn sowie nördlich bis zur Simon-von-Utrecht-Straße und südlich bis zur Erichstraße.
Die Opposition ist mit diesem Schritt nur mäßig zufrieden. Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der GAL-Fraktion, fordert weitere Anstrengungen, um die Entwaffnung in der ganzen Stadt voranzutreiben. Sie schlägt eine massive öffentliche Kampagne vor mit dem Ziel, das Tragen von Waffen negativ zu besetzen und zu ächten. Besonders Jugendliche sollten über Schulen und Jugendeinrichtungen angesprochen werden. Die SPD-Fraktion bezeichnete Nagel als „Last-Minute-Aktivist“.
Dass er das Verbot nicht auf die ganze Stadt erstreckt, begründete Nagel damit, dass es rechtlich nur bei „besonderen Lagen“ zulässig sei. Eine solche Lage sei außer bei großen Volksfesten wie dem Dom, wo das Waffenverbot bereits gilt, nur auf der Reeperbahn gegeben: „Wir verbieten Waffen nur dort, wo in der Vergangenheit etwas passiert ist und wo wir davon ausgehen, dass auch in Zukunft etwas passiert“.
Damit hat Nagel selbst das Argument für ein umfassendes Waffenverbot geliefert. Denn es ist keinesfalls so, dass es nur auf dem Kiez zu Messerstechereien kommt, wie diese Beispiele aus anderen Stadtteilen zeigen:
Winterhude: Ein 20-Jähriger Täter sticht Ende Februar einen 62-Jährigen an der Fernsicht nieder. In der gleichen Nacht verletzt er einen andern Teenager in Farmsen-Berne.
Ohlsdorf: Ende März will ein 40-Jähriger Mann in der U 1 einer Frau helfen, die von einem Betrunkenen angepöbelt wird. Am Bahnhof Ohlsdorf sticht dieser zweimal auf den Helfer ein.
Lurup: Im April sticht ein 19-Jähriger an der Bushaltestelle auf einen Mann ein, weil der ihm keine Zigarette geben wollte.
Harburg: Im April werden in einer Harburger Kneipe ein Wirt und sein Bruder niedergestochen, weil sie zwei Männern Lokalverbot erteilt haben.
Bergedorf: Anfang September spricht ein Mann drei Jugendliche an, die Flaschen auf die Straße geworfen hatten. Sie stechen mit dem Messer auf ihn ein.
Wentorf: Ende Juli kommt es vor einer Diskothek zu einer Schlägerei. Ein 19-Jähriger wird von einem Gleichaltrigen mit einem Messer verletzt.
Bahrenfeld: Mitte September wird ein 27-Jähriger in einem Bus schwer verletzt. Ein unbekannter Täter hatte ihm mit dem Messer in den Hals gestochen und dabei nur knapp die Halsschlagader verpasst. Das Opfer hatte sich über zu laute Musik beschwert.
Eilbek: Im Oktober kommt es in einer Diskothek zu einer Schlägerei, nachdem ein Mann von einer Frau abgewiesen worden war. Zwei Menschen werden mit Messerstichen schwer verletzt.
Hammerbrook: Ein 16-Jähriger will im Mai einen Streit zwischen zwei Männern schlichten. Er trägt zwei Messerstiche davon.
Billstedt: Im Oktober kommt es am ZOB in Billstedt zu einer Messerstecherei. Ein 18-Jähriger hatte in der U-Bahn einen Freund mit dem Handy gefilmt. Ein Fahrgast, der glaubte, mit auf dem Bild zu sein, beschwerte sich. Er verfolgte die beiden Freunde und rammte einem von ihnen ein Küchenmesser ins Bein.