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Archiv-Artikel

Einfach nicht kaputt zu kriegen

HOLLANDRAD Es ist immer noch ziemlich schwer, aber auch robust und sogar ein wenig wandlungsfähig. Und jetzt mal wieder auferstanden – oder war es nie weg von der Straße?

Eine Symbiose von Yestertech, heutigem Standard und zartem Designerhändchen

VON PAUL DA CHALET

Das Hollandrad ist nicht mehr das, was es immer war. Früher war es schwarz, schwarz und nochmals schwarz. Na gut, für ein paar Snobs war noch das dunkle Blau reserviert, für die Frohnaturen das dezente Weiß. Aber heute! Heute ist der holländische Schwan lila, gras- oder neongrün lackiert. Anything goes. Da wäre es schon interessant zu erfahren, was man in Oostkapelle oder auch in Ostrhauderfehn davon hält.

Schwarz oder bunt – ziemlich egal, meint Patrick Held. Warum das Hollandrad wieder mal – oder immer noch – so beliebt sei, habe andere Gründe. „Es ist ein Gegenmodell zu den Produkten der Wegwerfgesellschaft.“ Das Gegenteil von hochgezüchteter und zugleich anfälliger Technik, so sieht Held die Fahrräder, die er am häufigsten und wohl auch am liebsten verkauft. Die meisten online, den Rest in seinem Fahrradgeschäft in Ahnsen bei Hannover. Greenbike-Shop heißt die Firma, vor drei Jahren gegründet, gleich nach dem Abitur und einem Trip durch Australien. Jetzt ist der Jungunternehmer 21. Ein Fahrradfreak, einer von denen, die man eher mit einem Fully, Fatty oder Fixie in Verbindung bringt. Klar, Tempo sei auch nicht schlecht, meint er, als Mitglied eines Radsportvereins ist er schließlich auch schon bei Straßenrennen an den Start gegangen. Wer jedoch ganz entspannt Rad fahren, das Drumherum sehen und genießen möchte, der müsse sich aufs Hollandrad setzen. Go slow und say hello. Für Patrick Held ist es insofern kein Wunder, dass sich dieses Old-Fashion-Velo formvollendet in den derzeitigen Entschleunigungstrend einfädelt.

In den Niederlanden ist der Klassiker materialisierte Tradition, so wie Frikandel oder das Pfund Gouda. Auch die dortigen großen und marktbestimmenden Hersteller wie Batavus und Gazelle scheinen das zu respektieren. Veränderungen modischer oder technischer Art? Nur in Maßen. Zumindest bei den Modellen, die ein echtes Hollandrad sein sollen, von unseren Nachbarn auch Oma- oder Opafiets genannt. Und so sind Geometrie und Design des gemeinen Holländers, von der Farbe mal abgesehen: altbekannt, vertraut. So gut wie verpflichtend sind sowohl die Vollverkleidung der Kette als auch eine Abdeckung fürs Hinterrad, der Mantelschoner. Und selbstverständlich hat der sogenannte Damen-Rahmen den geschwungenen Schwanenhals aufzuweisen. Nicht zu vergessen: der Lenker im Breitformat mit stark nach hinten gezogenen Griffen, früher Gesundheitslenker genannt. Das anstößige Ding wird auch beim Herren-Diamantrahmen verbaut – und das Zusammenspiel ermöglicht (manche sagen: erzwingt) hier wie da das aufrechte Sitzen.

Bei der Ausstattung dominiert nach wie vor die Dreigang-Nabenschaltung, entweder mit Rücktrittbremse oder Freilauf. Es kann auch noch hochgehen bis zu sieben Gängen, der achte ist allerdings schon die große Ausnahme. Dafür durchaus auch noch anzutreffen: die vordere Gestängebremse. Eine Konstruktion, die eigentlich überall sonst vom Bowdenzug abgelöst worden ist. Andererseits hat sich bei den meisten Hollandrädern der sinnvolle Nabendynamo durchgesetzt. Für eine Symbiose von Yestertech, heutigem Standard und zartem Designerhändchen steht zum Beispiel das „Classic“ von Koninklijke Gazelle, des Marktführers in den Niederlanden, der sich seit 1992 mit dem königlichen Prädikat schmücken darf. Sein Dreigangmodell hat Rücktrittbremse und vorne Trommelbremse, einen Nabendynamo und wird „in sechs modernen Farben“ angeboten. Gemäß den holländischen konservativen Velo-Verhältnissen sind auch hier Rahmen und Gepäckträger aus solidem Stahl gefertigt – womit ein nicht zu unterschätzendes Gesamtgewicht von knapp 21 Kilo auf die Waage kommt. Zu haben für rund 520 Euro. Soll eine bessere Schaltung ans Rad, müssen Sattel und Griffe aus Leder sein, dann wird’s aber schon um einiges teurer.

Jane, eine Studentin in Bremen, begnügt sich mit einem Gang. „So ein Hollandrad ist nun mal ein Stadtrad, und ich habe bestimmt nicht vor, damit im Gelände herumzufahren oder mich für die Tour de France zu qualifizieren.“ Wenn die Stadt im Großen und Ganzen flach ist, reiche Singlespeed ihr völlig aus. Ihr neues Fahrrad, das in Wirklichkeit ein gebrauchtes ist, hat sie für 50 Euro erworben. Ein Schnäppchen, meint Jane. „Gebrauchte Hollandräder sind echt begehrt, auf alle Fälle hier im Norden.“

Patrick Helds Sortiment an Hollandrädern ist breit angelegt. Damen- und Herrenmodelle in verschiedenen Rahmenhöhen, Kinderräder. Marken, die in den Niederlanden als auch von hiesigen Herstellern gefertigt werden, Rheinfels und Bachtenkirch zum Beispiel. Auch die puristischen Eingangräder fehlen nicht, etliche mit einem Preis um die 200 Euro. Fürs fabrikneue Modell, versteht sich. Sie sind halt schlicht und einfach, und das zahle sich aus. Aber auch für sie gelte, meint Held, was grundsätzlich jedes Hollandrad auszeichne: „Es ist wartungsarm und langlebig. Wo nicht viel dran ist, kann nicht viel kaputt gehen.“