: Gemischtwarenladen in Geldnot
Weil die Politiker es jahrelang nicht hören wollten, gibt es jetzt Salamitaktik: Scheibchenweise räumt die Kunsthalle die wahre Höhe ihres finanziellen Defizits ein. Und will es bis 2015 beseitigen
VON PETRA SCHELLEN
Tragisch an der Lage der Kunsthalle ist vielleicht nicht das Defizit. Traurig ist vielmehr, dass die Politiker den Museen bei deren Umwandlung in Stiftungen per Gesetz offenbar das Lügen verordnet haben: „Der Haushalt muss am Ende des Jahres ausgeglichen sein“, sagte Kunsthallen-Chef Hubertus Gaßner gestern. Und so hätten alle Museumsstiftungen die Bilanzen eben passend gemacht.
Anlass des Bekenntnisses war die Präsentation der Kunsthallen-Bilanz sowie die Frage danach, wie sich das kürzlich auf 1,2 Millionen Euro bezifferte Defizit plötzlich auf 2,1 erhöhen konnte. Eine Entwicklung, für die niemand verantwortlich sein will und deren Ursachen auch Geschäftsführer Roman Passarge nicht klar benannte.
Diese Erkenntnis fällt just in die Wochen nach der Entschuldung der Museen. In deren Rahmen war auch der Betriebskosten-Zuschuss für die Kunsthalle um 1,2 Millionen Euro erhöht worden. Was wenig helfen wird, denn am strukturellen Defizit der Galerie der Gegenwart ändert sich dadurch nichts. Zudem steigen Betriebs- und Personalkosten stetig.
Hubertus Gaßner weiß das. Ihm ist klar, dass er auch künftig kein Geld für Ausstellungen und Ankäufe haben wird – und dass er das Haus trotzdem attraktiv halten muss. Wie er das schaffen und zugleich bis 2015 das Defizit abbauen will, wusste Passarge gestern nicht zu sagen. Er konnte es sich aber auch nicht verkneifen, eine Teilschuld auf seinen Vorgänger Tim Kistenmacher abzuwälzen. „Zum Risiko eines Geschäftsführers gehört es, Fehler zu machen“, sagte Passarge. In Wirklichkeit „handelt es sich um ein strukturelles Problem“, erwiderte Gaßner. Lösungen seien rar. Selbst eine Schließung der Galerie der Gegenwart fiele „finanziell kaum ins Gewicht“, sagte Gaßner. „Auch ohne Besucher müssten wir das Haus heizen und bewachen.“ Erleichterung brächte nur ein Abriss des Ungers-Baus – und damit will man dann doch nicht drohen.
Ob sich eine Galerie der Gegenwart allerdings durch konservative Ausstellungen profilieren lässt, ist zweifelhaft. Genau das aber ist für das kommende Jahr geplant: Mit Jakob Philipp Hackert wird im November ein Landschaftsmaler der Goethezeit präsentiert. Das passe durchaus, sagte Gaßner: „Wenn man aus dem Fenster des Ungers-Baus schaut, sieht man die Alsterlandschaft. Eine gelungene thematische Verbindung.“
Ein origineller Zugang, der aber nicht darüber hinwegtäuscht, dass des Direktors Leidenschaft nicht dem Experiment gilt. Mark Rothko hat er aufs Programm gesetzt und den subtil medienkritischen Fotografen Thomas Demand. Als Beitrag zur Aufarbeitung der 68er-Generation gedacht ist die Ausstellung „Man Son“, benannt nach Charles Manson. Davon abgesehen zeigt die Kunsthalle 2008 eine Stillleben-Schau, den Symbolisten Felix Vallotton sowie italienische Zeichnungen von Leonardo bis Piranesi. Ein Gemischtwarenladen, das gibt Gaßner zu. Ihm genügt das.