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Archiv-Artikel

Unterwegs in Bali: Einer von 10.000

Andreas Fischlin, Schweizer Delegierter

Die Nachricht des Tages kam am Donnerstag von den Wissenschaftlern: Im Konferenzzentrum stellten sie die „Bali Declaration“ vor. Darin fordern über 200 Klimaforscher aus der ganzen Welt die UN-Konferenz dazu auf, den Ausstoß von Treibhausgasen so weit zu reduzieren, dass er im Jahr 2050 höchstens die Hälfte des Wertes von 1990 beträgt. Würden die Verhandlungen ein anderes Ziel anstreben, habe die Welt nicht mal mehr einen Fifty-fifty-Chance, eine Katastrophe zu verhindern.

Warum eine solche Deklaration? Gibt es ihrer nicht schon Dutzende? „Die Politik hört einfach nicht auf den wissenschaftlichen Sachverstand“, sagt Professor Andreas Fischlin, einer der Unterzeichner. Der Züricher ist in der komfortablen Lage, die Verhandlungen selbst mitgestalten zu können, weil er der 12-köpfigen Schweizer Regierungsdelegation angehört. Und als solcher muss er sich auf Bali benehmen, auch wenn es ihm manchmal schwerfällt. So habe ihm auf Bali ein Diplomat gesagt, es sei überhaupt nicht erwiesen, dass der UN-Klimarat die beste Wissenschaft abliefere. Er habe sich beherrschen müssen, den Diplomaten nicht laut anzuschreien. Schließlich hatte er selbst an dem diesjährigen Bericht mitgearbeitet. „Solche Aussagen sind aber nicht hinnehmbar“, sagt er. „Ich habe in den letzten fünf Jahren 3.200 Forschungsberichte ausgewertet, 4.000 Kommentare gelesen. 10.000 Kollegen haben allein in meinem überschaubaren Feld mitgearbeitet. Es hat in der Menschheitsgeschichte nie eine umfassendere, bessere Wissenschaft gegeben als die des IPPC.“ Und für Fischlin nie eine erschütterndere. „Mich hat in den letzten 30 Jahren kaum etwas geängstigt. Aber diese Ergebnisse beängstigen mich wirklich!“

Unternimmt die Politik genügend dagegen? „Der sozioökonomische Bereich liegt außerhalb meiner Expertise“, sagt der Professor, kann dann aber doch nicht an sich halten.

„In der Schweiz gibt es den Beschluss für eine CO2-Abgabe. Aber seit Jahren wird über ihre Umsetzung gestritten.“ So liege der CO2-Ausstoß der Schweiz 9 Prozent über dem laut Kioto erlaubten Maß. „Dabei ist Kioto viel zu wenig. Die Industrieländer müssen ihren Ausstoß in den nächsten 15 Jahren um bis zu 40 Prozent senken“, sagt er. Sonst werde es wohl schon Mitte des Jahrhunderts in der Schweiz keine Gletscher mehr geben. Und das könne doch kein Schweizer wollen. NICK REIMER