: Wenn das Gesetz des Dschungels nicht gilt
UKRAINE Zwischen dem Oligarchen und Gouverneur von Dnipropetrowsk und dem Präsidenten Petro Poroschenko ist ein offener Machtkampf entbrannt. Die erste Runde geht an Poroschenko
AUS KIEW BERNHARD CLASEN
Der seit Langem schwelende Konflikt zwischen dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und dem Oligarchen und Gouverneur der ostukrainischen Industriestadt Dnipropetrowsk, Ihor Kolomojskij, ist in einen offenen Konflikt zwischen den beiden mächtigsten Männern der Ukraine eskaliert. Dabei musste der ostukrainische Oligarch Kolomojskij, der nach Präsident Poroschenko als zweitmächtigster Mann der Ukraine gilt, einige empfindliche Demütigungen hinnehmen.
Eigentlich hatte Ihor Kolomojskij am Donnerstagabend nicht vor, nach Kiew zu reisen. Seine Fußballmannschaft Dnipro Dniprotrowsk, deren Präsident und Besitzer der Oligarch ist, spielte zu dieser Zeit in Amsterdam gegen Ajax und niemand hätte erwartet, dass er sich ausgerechnet während dieses Spieles auf den Weg nach Kiew machen würde.
Ungewöhnlich an dem Besuch des Gouverneurs waren vor allem die Umstände. Begleitet von Gennadij Korban, dem stellvertretenden Gouverneur von Dnipropetrowsk und mehreren schwer bewaffneten Männern, drang der Gouverneur in die Büroräume des staatlichen Öltransportunternehmens „Ukrtransnafta“ ein. Kolomojskij war nicht der einzige, der sich an diesem Abend auf den Weg zum Büro der staatlichen Öltransportgesellschaft gemacht hatte. Kaum war die Nachricht vom Eintreffen Kolomojskijs verbreitet, machten sich Journalisten und Abgeordnete auf den Weg zum Büro von „Ukrtransnafta“. Sechs Stunden später, kurz vor Mitternacht, verließen Kolomojskij und sein Gefolge das Büro. Als ein Reporter von „Radio Liberty“ den Gouverneur fragte, warum dieser sich nachts in Büroräumen einer Firma aufhalte, die ihm nicht gehöre, kam es zu einem Eklat. Kolomojskij beschimpfte den Journalisten vor laufenden Kameras in vulgärer Sprache. Kurz darauf erklärte Innenminister Arsen Awakow jedoch, der Konflikt sei beigelegt, man werde die Auseinandersetzung ausschließlich auf dem Rechtsweg führen.
Doch die Auseinandersetzungen um den streitbaren Gouverneur aus der Ostukraine gehen weiter. Am Wochenende forderte der Abgeordnete Mustafa Najem vom Block Poroschenko den Präsidenten auf, den Gouverneur zu entlassen. Als Journalist Najem hatte er Ende 2013 mit einem Aufruf die Demonstrationen auf dem Maidan ausgelöst. Am Freitag traf sich der Botschafter der USA in Kiew, Geoffrey R. Pyatt, mit Kolomojskij. Er habe den Gouverneur von Dnipropetrowsk daran erinnert, so der Botschafter anschließend gegenüber der Presse, dass in der Ukraine das Gesetz des Dschungels nicht mehr herrsche.
Präsident Poroschenko unterschrieb eine förmliche Abmahnung an Kolomojskij. Dieser habe die ethischen Vorschriften eines Staatsbeamten verletzt. Eine Entschuldigung bei dem Journalisten Sergej Andruschko lehnte Kolomojskij indes ab. Am Wochenende wurde bekannt, dass die „Privatbank“, die zum größten Teil Ihor Kolomojskij gehört, die Konten von Poroschenkos Firmen gesperrt hatte, „aus technischen Gründen“.
Der Oligarch Ihor Kolomojskij kontrolliert weite Teile des ukrainischen Ölgeschäfts. Die Ölförderung, die Verarbeitung des Öls und ein landesweites Netz an Tankstellen sind in seiner Hand. Die einzige große Erdölfirma, in der Kolomojskij keine Anteile hat, ist die „Ukrtransnafta“. Deren Vorstandsvorsitzender Alexander Lasarko, ein Vertrauter Kolomojskij, war zuvor gefeuert worden. Kolomojskij geht aus dem jüngsten Konflikt mit seinem Widersacher Poroschenko als Verlierer hervor. Dies dürfte ihn mehr treffen als die 2:1 Niederlage seines Teams gegen Ajax Amsterdam am Donnerstagabend.