: Initiative Stadt Neudenken
Ein neues Bündnis aus Kulturschaffenden, ArchitektInnen und PolitaktivistInnen will Einfluss auf die Liegenschaftspolitik nehmen – für einen Paradigmenwechsel in der Stadtplanung
■ Zum Start hat die Initiative Stadt Neudenken ein Positionspapier herausgegeben. Dort wird ein Moratorium für Liegenschaftsverkäufe und eine konsequente Neuausrichtung der Berliner Liegenschafts- und Bodenpolitik gefordert.Das Positionspapier kann online unterzeichnet werden.
■ Im Netz:www.stadtneudenken.net
„In was für einer Stadt wollen wir leben?“, lautet die Frage, die in deutschen Großstädten aktuell viel diskutiert wird. Die Zeit drängt: Städte wie Berlin, München und Hamburg haben sich in den letzten Jahren extrem gewandelt. Viele Menschen können sich die teuren Mieten in der Innenstadt nicht mehr leisten, der Raum für Alternativkultur schwindet. Auf der anderen Seite entstehen teure Einkaufszentren, Townhouses, Hostels und gigantische Veranstaltungshallen. Die Kommerzialisierung der Innenstädte schreitet stetig voran.
Der Protest gegen diese Entwicklung wächst. In Hamburg schlossen sich 2009 mehrere Gruppen und Initiativen unter dem Label „Recht auf Stadt“ zusammen, und auch in Berlin formiert sich der Widerstand. Nachdem Initiativen wie Megaspree sich gegen einzelne Projekte richteten, nahm im Sommer 2011 das Bündnis „Initiative Stadt Neudenken“ seine Arbeit auf. Das Bündnis aus Kulturschaffenden, ArchitektInnen und PolitaktivistInnen fordert eine soziale, vielfältige und selbst gestaltete Stadt. „Es wird Zeit, dass in Berlin ein übergreifendes Bündnis geschlossen wird, welche die Politik zwingt, konsequent andere Wege zu gehen“, fordert Leonie Baumann, Rektorin der Kunsthochschule Weißensee und Mitinitiatorin der Initiative.
Ein effektives Instrument zur Sicherung und Förderung sozialer und kultureller Vielfalt sieht die Initiative in einem Paradigmenwechsel in der Liegenschaftspolitik. „Berlin muss aufhören, blind landeseigene Grundstücke zu verscherbeln“, sagt Arno Brandelhuber, Architekt und Mitglied des Bündnisses. Nicht nur, dass der Verkauf der Grundstücke den Haushalt nicht entlaste, man verliere zugleich die Möglichkeit mitzubestimmen, was mit den Flächen geschehe.
Das Bündnis ist davon überzeugt, dass es gute Alternativen zu dieser Art von Stadtpolitik gibt. In einem Positionspapier fordert die Initiative, dass Grundstücke ab sofort auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien vergeben und lokale Initiativen verstärkt berücksichtigt werden. Auch sollten anstelle des Verkaufs von Liegenschaften Erbpachtverträge ausgestellt werden. Damit könne zum einen der Haushalt entlastet werden, da die Stadt langfristig Zinsen aus den Verpachtungen erzielen würde. Zum anderen könne so gewährleistet werden, dass nachhaltige Konzepte umgesetzt und die Mieten nicht in die Höhe getrieben werden. „Dies wäre eine klarer Bruch mit einer von anonymen Investoren geprägten Stadtentwicklung“, erklärt Florian Schmidt, Stadtsoziologe und Mitinitiator.
Schmidt hat bereits seine Erfahrungen mit der Berliner Liegenschaftspolitik. Im Auftrag des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hatte er mit Kulturschaffenden, Unternehmen und AnwohnerInnen ein Konzept für ein Kunst- und Kreativquartier auf den Flächen um den ehemaligen Blumengroßmarkt an der Friedrichstraße in Kreuzberg entwickelt. In einem dialogischen Planungsverfahren sollten Vergabekriterien festgelegt werden. Zuvor war es mithilfe der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher gelungen zu verhindern, dass die Fläche an den Meistbietenden verkauft wurde.
Doch plötzlich, noch vor Abschluss des Verfahrens, waren die Flächen zum Verkauf ausgeschrieben. Nach Protesten des Bezirks und der Berliner Kunstszene wurde die Einrichtung einer Arbeitsgruppe zur Anpassung des Verfahrens in Aussicht gestellt. Ob Renditedenken oder nachhaltige Konzepte zum Zuge kommen, ist also noch offen.
„Das Verhalten am Blumengroßmarkt steht symptomatisch für die Berliner Liegenschaftspolitik“, sagt Baumann. Besonders geärgert habe sie, dass der Verkauf unter dem Label „Checkpoint Art“ betrieben wurde: „Schamlos wird die Kunst für Vermarktungszwecke instrumentalisiert. Als Ergebnis können sich Kulturschaffende das Leben in der teuren Innenstadt nicht mehr leisten“, sagt sie.
Bald will das Bündnis den Senat zu einem runden Tisch einladen, mit dem der Politikwechsel des Liegenschaftsfonds forciert werden soll. Sollte dieser scheitern, wollen die AktivistInnen ein Volksbegehren initiieren.
Wer das Bündnis bei seiner Arbeit unterstützen möchte, kann zu den regelmäßigen Vernetzungstreffen kommen. Das nächste findet am 12. Januar statt. Auch freut sich das Bündnis über weitere UnterzeichnerInnen seines Positionspapiers, das sich auf der Seite des Bündnisses befindet. „Wenn wir viele sind, kann uns die Stadt nicht mehr ignorieren“, appelliert Baumann. Ob sie damit recht hat? Zu wünschen wäre es. Lukas Dubro