Jubel über fremde Tore

Gegen Energie Cottbus hatte der Hamburger SV am Samstag zwar nicht viel zu bieten. Aber zum Amüsement der Hamburger Fans gibt es da zum Glück noch den „kleinen“ HSV in Hannover

VON JAN KAHLCKE

Gejubelt haben die HSV-Fans schon. Viermal. Beim 1 : 1, beim 2 : 1, beim 3 : 1 und schließlich beim 4 : 3. Nur leider hatte alle diese Tore der „kleine“ HSV von 1896 erzielt (SEITE 18), 130 Kilometer die A 7 abwärts. Nach Hamburg kamen sie nur in Form von schnöden Ziffern auf der Anzeigentafel geflimmert.

Die Anhänger des Hamburger SV sind genügsam. Zur Freude reicht es ihnen schon, wenn der Erzfeind aus Bremen verliert. Dass der dabei berauschenden Fußball gespielt hat, bekommen sie ja auch nicht mit. Stolze 56.132 Zuschauer waren zum HSV gekommen – gegen Energie Cottbus! Man könnte also sagen, dass in Hamburg Euphorie herrscht. Die speist sich aber weniger aus dem Geschehen auf dem Rasen als aus dem Tabellenplatz knapp hinter eben jenen Bremern und dem aufgerüsteten FC Bayern.

Auch HSV-Trainer Huub Stevens kann als genügsamer Mensch gelten. Bestimmt kein Geringverdiener in der Trainergilde, lebt er nach außen Bescheidenheit. Und auch auf dem Platz ist er bislang nicht durch Maßlosigkeit aufgefallen. Für den Holländer zählen Punkte. So lange die durch eine disziplinierte Mannschaftsleistung eingefahren werden, schert ihn die Höhe des Sieges wenig. Gegen Kritik an einer allzu zweckorientieren Spielweise pflegt er seine Elf in Schutz zu nehmen.

Neu ist, dass der Chef das auch nach verschenkten Punkten tut, wie am Samstag gegen Energie Cottbus. „Ich muss den Jungs ein Kompliment machen“, sagte er nach der dürftigen Vorstellung des HSV und führte allerlei Gründe an, aus denen es nicht zu einem Tor gegen den Abstiegskandidaten aus der Lausitz gereicht habe: Die kompakte Cottbuser Deckung, den tiefen Boden – und natürlich die bösen Spielplangestalter der DFL, die den HSV erneut am Samstag antreten ließen, obwohl er am Donnerstag im Uefa-Cup aktiv war. Dieses Lamento ist beim HSV mittlerweile derart etabliert, dass man das Gefühl hat, der Verein litte am internationalen Wettbewerb mehr, als er sich daran freut.

Dabei war der HSV den schwachen Cottbusern derart überlegen, dass man sich schon fragen muss, warum es nicht zu einem deutlichen Sieg gereicht hat. Vielleicht ist eine Antwort, dass die Sturm- und Drangphasen der Hamburger zu kurz sind: Fünf Minuten vor der Pause und zehn Minuten vor Schluss kann mit etwas Glück eben auch eine minderbemittelte Mannschaft wie Energie Cottbus überstehen. Besonders wenn sie einen Torwart wie Gerhard Tremmel in ihren Reihen hat, der umso mehr Spaß am Spiel findet, je öfter er in höchster Not retten kann.

Dass der HSV keinen Dauerdruck entfacht wie Werder Bremen, könnte man natürlich dem Kräfteverschleiß auf internationaler Bühne zuschreiben. Man könnte es aber auch als Kardinalproblem der Mannschaft betrachten, das sie oft auch schon in der vergangenen Saison offenbarte – ohne Uefa-Cup.

Eine Ursache für die HSV-Magerkost liegt aber sicher auch im statischen Spielsystem: Gegen die einzige echte Cottbuser Spitze, den fast unsichtbaren Dennis Sörensen, verteidigte der HSV praktisch mit sechs Mann, de Jong und Kompany wagten sich viel zu selten mit nach vorn. Zwischen Mittelfeld und der gar nicht mal so hängenden Spitze van der Vaart klaffte eine Lücke. Er kann eben auch nicht immer Spielmacher und Torjäger auf einmal sein. Und außen machten erst die eingewechselten Castelen (65.) und Atouba (80.) Druck.

Am Schluss musste der HSV über einen Punkt noch froh sein, weil Joris Mathijsen sich im Strafraum ein Handspiel leistete, dessen Absichtlichkeit kaum zu leugnen war. Der Elfmeterpfiff gegen die Hamburger blieb jedoch aus. „Dass eine so destruktive Spielweise vielleicht noch belohnt wird, da kann ich doch nur drüber lachen“, motzte HSV-Torwart Frank Rost hinterher – und zeigte damit jene Überheblichkeit, die sein Trainer beklagte. „Das wird ein sehr schweres Spiel“, habe er seine Spieler am Vortag gewarnt. „Aber wenn ich da gegen eine Wand rede …“, sagte Huub Stevens fast resigniert.